Kurt Walter Zeidler

Bruno Bauchs Frege-Rezeption
 

gekürzte Fassung; der vollständige Text ist erschienen in: E. W. Orth/H. Holzhey (Hg.), Neukantianismus. Perpektiven und Probleme, Würzburg 1994, S. 214-232.
© Verlag Königshausen & Neumann GmbH, Würzburg 1994
 
 

ANMERKUNGEN
 
 
 

1  Emerich Coreth et al., Philosophie des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 1986, 174.

9  Vgl. Hans Amrhein, Kants Lehre vom >Bewusstsein überhaupt< und ihre Weiterbildung bis auf die Gegenwart (Kantstudien Erg.heft 10), Berlin 1909.

10  Die Problematik dieses Ansatzes besteht offensichtlich darin, daß die wissenschaftstheoretische Objektivierung des Apriori in seine wissenschaftstheoretische Relativierung umschlägt, sobald der »nothwendige Gedanke vom Fortschritt der Wissenschaft« (Cohen, Logik der reinen Erkenntniss, Berlin 1902, 342) und die im Lichte dieses Fortschrittsideals immer wieder beschworene »Einheit des Kulturbewußtseins« fragwürdig werden, wobei allerdings in Würdigung der Cohenschen Systematik festzuhalten bleibt, daß sie dieser Fragwürdigkeit im Sinne der ursprungslogische Deutung der >Hypothesis< positive systemkonstitutive Bedeutung abzugewinnen versucht.

11  O. Liebmann, Gedanken und Thatsachen. Bd. 2, Straßburg 1904, 214 f. In ähnlicher Weise spricht Alois Riehl von der »Einheit der Wirklichkeit« als der »objectiv-realen Gegenseite« zur Einheit des Bewußtseins (A. Riehl, Der philosophische Kritieismus und seine Bedeutung für die positivt Wissenschaft. Bd. 2, 1. Theil: Die sinnlichen und logischen Grundlagen der Erkenntnis, Leipzik 1879, 23; vgl. ders., Der philosophische Kriticismus und seine Bedeutung für die positive Wissen. schaft. Bd. 1: Geschichte und Methode des philos. Kriticismus, Leipzig 1876, 444).

12  Liebmann, Zur Analysis der Wirklichkeit, Straßburg 41911, 269.

13  Liebmann, Gedanken und Thatsachen, a.a.O., 91-234.

15  Bauch, Immanuel Kant, Berlin-Leipzig 1917, S. VII; vgl. ders., Selbstdarstellung, a.a.O., 18 f

16  Lotze, System der Philosophie. 2. Theil: Metaphysik, Leipzig 1879, 179f.

17  Bauch, Selbstdarstellung, a.a.O., 36; vgl. ders., Lotzes Logik und ihre Bedeutung im deutschen Idealismus, in: Beiträge zur Philos. d. Dt. Idealismus 1/2 (1918),45.

18 Da die Bezüge zwischen diesen Denkern hier nicht näher ausgeführt werden können [vgl. inzwischen, Verf., Kritische Dialektik und Transzendentalontologie, Bonn 1995, 65ff.], sei im Hinblick auf Liebmann und Riehl nur darauf verwiesen, daß sie von Lewis White Beck als die beiden Hauptvertreter eines >Metaphysical Neo-Kantianism< angeführt werden (L. W. Beck, >Neo-Kantianism<, in: P. Edwards (Ed.), The Encyclopaedia of Philosophy, Vol. 5, New York-London 1967, 469 f.), während Hermann Glockner von einem »kritischen Positivismus« spricht, »als dessen bedeutendste Vertreter Otto Liebmann und Alois Riehl hervorragen« (H. Glockner, Die europäische Philosophie, Stuttgart 1958, 984).

32 Otto Liebmann, Platonismus und Darwinismus, in: ders., Zur Analysis der Wirklichkeit, Straßburg 21g80, S. 313-357.

33 August Stadler, Kants Teleologie und ihre erkenntnistheoretische Bedeutung, Leipzig 1874.

34 Bauch, Studien zur Philosophie der exakten Wissenschaften, Heidelberg 1911, 25 ff.; hier 31.

37 Das Provisorische dieser Lösung wird deutlich, wenn man einerseits bedenkt, daß die reflektierende Urteilskraft ein in mehrfacher Hinsicht zwiespältiges Vermögen ist und andererseits berücksichtigt, daß sie weder ein Ersatz ist für jene prinzipientheoretische Vereinbarung von theoretischer und praktischer Vernunft, die Kant Mitte der 80er Jahre in einer >Kritik der reinen praktischen Vernunft< vergeblich angestrebt hatte, noch ein Ersatz ist für jene wissenschaftsmetaphysischen Deduktionsabsichten, denen er schließlich im Opus postumum nachspürt. Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt nochmals die drei Hauptrichtungen des Neukantianismus, so zeigt sich, daß sie jeweils einen der drei Ansätze verabsolutieren, die Kant seit der Mitte der 80er Jahre in (vorläufiger) Umgehung seiner prinzipientheoretischen Deduktionsabsichten in Anschlag bringt: die Betonung der wissenschaftlichen Faktizität des Apriori in der zweiten Auflage der Vernunftkritik, die Zwei-Welten-Theorie der zweiten Kritik und die Rehabilitierung des ontotheologischen Ordnungsgedankens in der Kritik der Urteilskraft, werden dabei nicht als Ausdruck ein und desselben grundlegenden Problems, sondern jeweils isoliert als Problemlösung verstanden.

38  Bauch, Studien zur Philosophie der exakten Wissenschaften, a.a.O., 53.

41  Vgl. W. Marx, Transzendentale Logik als Wissenschaftstheorie. Systematisch-kritische Untersuchungen zur philosophischen Grundlegungsproblematik in Cohens >Logik der reinen Erkenntnis<, Frankfurt/M. 1977, 127.

42  H. Holzhey, Cohen und Natorp. Bd. 2: Ursprung und Einheit. Die Geschichte der >Marburger Schule< als Auseinandersetzung um die Logik des Denkens, Basel 1986, 198,

43  H. Cohen, Logik der reinen Erkenntnis, a.a.O., 75 ff.

44  Holzhey, a.a.O., 201.

45  Bauch, Studien zur Philosophie der exakten Wissenschaften, a.a.O., 66.

47 Bezugnehmend auf den Aufsatz über >Lotzes Logik< (Bauch, Lotzes Logik und ihre Bedeutung im deutschen Idealismus, in: Beiträge zur Philos. d. Dt. Idealismus 1/2 [19181, 45 ff.), der im zweiten Heft der von Bauch herausgegebenen >Beiträge zur Philosophie des Deutschen Idealismus< der Fregeschen Untersuchung >Der Gedanke< gleichsam als Einführung vorangestellt ist, wurden Freges Bezüge zu Lotze von Hans D. Sluga herausgearbeitet (H. D. Sluga, Gottlob Frege, London 1980, 52 ff., 192). Im Hinblick auf argumentative und terminologische Parallelen bei Liebmann und Windelband (sie betreffen insbesondere den Anti-Psychologismus und die Wahrheitswert-Terminologie) wurde neuerdings von Gottfried Gabriel die These vertreten, »daß Freges erkenntnistheoretische Grundposition diejenige des Neukantianismus ist« (G, Gabriel, Frege als Neukantianer, in: Kant-Studien 77 (1986), 84 ff.). Diese These erscheint allerdings etwas überzogen: solange Freges >erkenntnistheoretische Grundposition< in seinem logizistischen Programm aufgeht (vgl. ebd. 100f.), kann man wohl nur von neukantianischen Topoi sprechen, die hinter diesem Programm stehen. Zum >Neukantianer<, dessen erkenntnistheoretische Ansichten »restlos unseren [sc. Bruno Bauchs und Richard Hönigswalds] Bestrebungen und Wünschen [ ... ] entsprechen« (Hönigswald, Brief an G. Frege 24. 4. 1925, in: G. Frege, Wissenschaftlicher Briefwechsel, Hamburg 1976, 84. Vgl. G. Frege, Nachgelassene Schriften, Hamburg 21983, 286ff.), wird Frege allenfalls in seinem letzten Lebensjahr, in dem er, im Zuge seiner selbstkritischen Absage an das logizistische Programm, »eine Wendung von der Logik zur >Erkenntnistheorie< vollzieht« (F. Kaulbach, Einleitung, in: Frege, a.a.O., S. XXX).

48 »Alle Anschauungen, als sinnlich, beruhen auf Affektionen, die Begriffe also auf Funktionen. Ich verstehe aber unter Funktion die Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen. Begriffe gründen sich also auf der Spontaneität des Denkens, wie sinnliche Anschauungen auf der Rezeptivität der Eindrücke.« Da nun aber der Verstand von diesen Begriffen »keinen andern Gebrauch machen [kann], als daß er danach urteilt«, und alle Urteile vermittels der in ihnen enthaltenen Begriffe und der unter diesen Begriffen enthaltenen Vorstellungen »Funktionen der Einheit unter unseren Vorstellungen« sind, folgert Kant, daß man alle Funktionen des Verstandes finden kann, »wenn man die Funktionen der Einheit in den Urteilen vollständig darstellen kann« (KrV A 68f./B 93f.). Die grundsätzliche Frage, inwieweit die transzendentalphilosophische Adaption des mathematischen Funktionsbegriffs überhaupt berechtigt ist (inwieweit sie insbesondere der Differenz von >mathematischer< und >philosophischer Vernunfterkenntnis< gerecht zu werden vermag), bleibt bei Kant allerdings unbeantwortet. Im Zusammenhang des Leitfadenkapitels stellt sich diese Frage näherhin als das Problem der Differenz zwischen der »Spontaneität des Denkens« auf der sich die Begriffe gründen und dem Verstand, der von Begriffen »keinen andern Gebrauch machen [kann], als daß er danach urteilt«. Diese Differenz wird durch einen äquivoken Gebrauch der Termini >Vorstellung< (Oberbegriff für Anschauung und Begriff) und >Funktion< (Funktion als Synthesishandlung und als Resultat derselben, d. h. als Funktionswert ([vgl. P. Schulthess, Relation und Funktion. Eine systemat. und entwicklungsgesch. Untersuchung zur theoret. Philos. Kants (Kantstudien Erg.heft 113), Berlin 1981, 272] verstanden) einerseits verschliffen, wird durch die Unterscheidungen zwischen logischen Einheitsfunktionen und Kategorien und zwischen Metaphysischer und Transzendentaler Deduktion andererseits aufrechterhalten, bleibt jedoch insgesamt unthematisiert und ist daher der Problemknoten, in dem sich in letzter Instanz alle transzendentallogischen Problemkomplexionen verschlingen. Vgl. vom Verf., Grundriß der transzendentalen Logik, Cuxhaven 1992, § 14 f.

49 Bauch, Das transzendentale Subjekt, in: Logos 12 (1923), 43, 49.

50 Vgl. H. Lotze, System der Philosophie. 1. Theil. Logik, Leipzig 1874,137.

52  In: Kant-Studien 19 (1914).

57 Während die Marburger Schule das Kategoriensystem im Hinblick auf das »ewige Fieri des Kulturschaffens« als eine korrelative Einheit begreift, »die eine Entwicklung, und zwar ins Unendliche, nicht ausschliesst« (Paul Natorp [1912], S. 213), insistiert Bruno Bauch darauf, diese korrelative (wechselbezügliche) Einheit des Kategoriensystems »im Sinne des Cantor’schen Unendlichen [zu] fassen«, weil nur so »die objektiv logische Struktur des Kategoriensystems sicher zu stellen« sei (Bauch [1914a], S. 313). Das >aktual Unendliche< ist somit Ausdruck der geänderten Blickrichtung unter der Bauch das Kontinuitätsprinzip ins Auge faßt: er begreift es aus der Perspektive der transzendentalen Dialektik (dem transzendentalen Ideal) als Vorgabe, während es Cohen aus der Perspektive der transzendentalen Analytik (dem unendlichen Urteil) als Aufgabe begreift

58 Bauch, Über den Begriff des Naturgesetzes, a.a.O., 313.

62 Bauch, Wahrheit, Wert und Wirklichkeit, a.a.O., 302. Vgl. 273f.; ders., Über den Begriff des Naturgesetzes, a.a.O., 335.

63 Bauch, Über den Begriff des Naturgesetzes, a.a.O., 328f. - Platons Versuch, die - sowohl in der All-Einslehre der Eleaten (Soph. 244 b-245e; vgl. 237 a, 258 c-e), wie auch im Nominalismus des Antisthenes (251 b5-c2, 259 d9) - bloß abstrakt festgehaltene Entgegengesetztheit von on und me on durch eine Logik der >Ideenverknüpfung< zu unterlaufen, wird von Cohen als Antizipation seiner ursprungslogischen Deutung des unendlichen Urteils und des Kontinuitätsprinzips interpretiert (Cohen, Logik der reinen Erkenntniss, Berlin 1902, S. 71f.), wogegen sich in der symploke ton genon für Paul Natorp die >synthetische Einheit< des Denkens (P. Natorp, Kant und die Marburger Schule, a.a.O., 210) und in weiterer Folge die Koinzidenz von Psyche und Logos (P. Natorp, Platos Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus, Leipzig (2. Aufl.) 1921, 497ff.), sowie für Nicolai Hartmann die Restitution der »antiken Seinsfrage« (N. Hartmann, Platos Logik des Seins, Gießen 1909, S. 210) und die »dialektische Natur des Denkens« (ebd.  471) erschließt. Diese verschiedenen Interpretationsrichtungen, die getreulich den vielberufenen Prozeß der >Selbstauflösung< des Neukantianismus in existentialistische, neu-ontologische und neu-hegelianische Theoreme wiederspiegeln, zeugen von der Aktualität von Platons Frage nach dem Seinssinn des Nichts; einer Frage, die auf die transzendentalphilosophisch noch weithin unbewältigte Aufgabe einer kategoriallogischen Aufklärung der Subjektsproblematik im Sinne einer Differenzierung des Negationsbegriffes verweist.

64 Bauch, Über den Begriff des Naturgesetzes, a.a.O., 329.

65 Bauch, Wahrheit, Wert und Wirklichkeit, a.a.O., 213.

71 Bauch, Das transzendentale Subjekt, in: Logos 12 (1923), 49.

72 Bauch, Die Idee, Leipzig 1926.
 

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