Lebenslauf
Selbstdarstellung
Werke
Literaturhinweise
Kurt Walter Zeidler
Grundriß der transzendentalen Logik,
Cuxhaven (Junghans) 1992, 206 S.
2. überarb. Aufl.: Cuxhaven-Dartford 1997, 218 S. ISBN
3-926848-23-5
3., ergänzte Aufl.: Wien (Ferstl&Perz) 2017, 330 S.
ISBN 978-3-902803-22-1
aus der Einleitung, S. 13ff. [15ff.]:
„Philosophie ist radikale Reflexion und hat als solche, selbst
wenn sie alle sonstige Bedeutung verloren hätte, zumindest ihre
kritische Funktion. Sie ist darum gegenwärtig auch nur ‚im
Gespräch‘, soweit sie den universellen Ideologieverdacht
ausmünzt, auf den sich seit Bacons Idolenlehre das Programm
jeglicher ‚Moderne‘ gründet. Eine Gegenwartsphilosophie, die
sich nur als Analyse der idola tribus, specus, fori et theatri -
also nur evolutionstheoretisch, psychoanalytisch,
sprachanalytisch oder ideologiekritisch - meint legitimieren zu
können, reduziert sich jedoch zwangsläufig auf den
meta-empirischen Überbau ihrer Legitimationsbasis und wird
selbst in dem Maße dogmatisch, in dem sie, vom eigenen
Wissenschaftsanspruch oder moralischen Pathos ausgehend, die
‚fundamentalistischen‘ Begründungsansprüche einer vormaligen
Philosophie bloß distanziert. Hat man die Reduktion des Subjekts
möglicher Prädikation auf seine, als Faktum bereits
beschreibbaren Rollen (seine biologisch oder zivilisatorisch
erworbenen Kompetenzen), erst einmal als beschlossene Sache
vorausgesetzt, dann fällt es nicht mehr sonderlich schwer, das
metaphysische Denken als systemerhaltenden Objektivismus oder
die Transzendentalphilosophie als subjektivistische
Bewußtseinstheorie und mythologisierende Psychologie zu
entlarven, ist man damit doch von vornherein an der
Fragestellung dieser einstigen Philosophie vorbeigegangen: an
der Frage nach dem Subjekt möglicher Prädikation oder, anders
formuliert, an der Frage nach demjenigen, was nicht bloß
vermittelt, sondern die Vermittlung selbst ist. [...]
Hat man im Sinne des empiristischen Credo erst einmal
vorausgesetzt, daß ‚wir‘ Produkte biologischer und historischer
Entwicklungen sind, die sich sinnvollerweise nur in biologischen
und historischen Kategorien beschreiben lassen, dann läßt sich
tatsächlich nicht unabhängig vom jeweiligen Stand dieser
Entwicklungen argumentieren. Ein Denken, das auf der Höhe seiner
Zeit steht und dort auch stehenbleiben will, kann sich darum in
aporetischen Einsichten dieser Art einnisten und durch keinen
noch so fein gesponnenen Beweis daraus vertrieben werden: es hat
sein Selbstverständnis nun einmal in animalischen, ökonomischen,
sozialen und politischen Gegebenheiten und hat daran genug,
obwohl es dieses Selbstverständnis als Denken nie tatsächlich
haben, sondern es bloß im Für und Wider eines lauen Skeptizismus
suchen kann.
Dieser Skeptizismus ist unwiderleglich, denn was er
in seiner Inkonsequenz sucht, ist seine Widerlegung. Er sucht
ein unbezweifelbares Fundament des Wissens außerhalb des
Wissens, eine Grundlage, die nicht seine Grundlegung, sondern
ein ihm schlechthin Vorgegebenes sein soll. Statt der gesuchten
Einfalt eines absoluten Grundes, findet er aber tausenderlei
Gründe in denen er sich einnisten und sein Spiel weitertreiben
kann. Eben darum liegt in der Inkonsequenz dieses Skeptizismus
seine ganze Stärke und Unwiderleglichkeit: er ist der
Widerspruch der sich negiert und dadurch als Widerspruch erhält.
Dieser Widerspruch ist die Gegenstandserkenntnis. Sie hält daran
fest, daß die Erkenntnis des Gegenstandes nicht der Gegenstand
des Erkennens ist und will sich dennoch selbst als Gegenstand
erkennen. Während die empirische Erkenntnis sich in diesem
Widerspruch hält und in ihrer Rastlosigkeit durch ihn gehalten
ist, muß die Philosophie - so sie keine empirische Wissenschaft
sein soll - durch diesen Widerspruch hindurch. Es genügt nicht,
daß sie bei ihm stehenbleibt, bloß eine der beiden Seiten der
Gegenstandserkenntnis negiert, und dann so tut als verfüge sie
über besondere Gegenstände, die jeden Gegenstand der Erkenntnis,
oder über Erkenntnisse, die alle Erkenntnis des Gegenstandes
entwerten. Die Philosophie braucht sich bei diesem possierlichen
Wechselspiel metaphysischer und skeptizistischer Anmaßungen
nicht aufzuhalten, denn sie hat nicht die Aufgabe, die
Gegenstandserkenntnis zu entwerten. Sie hat vielmehr die Aufgabe
der Begründung. Begründendes Denken aber hat die Aufgabe der
Selbstbegründung.
Die spekulative Frage, wie das Denken sich und
somit ein Selbst denken kann, ist die prinzipientheoretische
Grundfrage der Philosophie. In ihr ist auch die transzendentale
Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit des Denkens eines
Gegenstandes überhaupt enthalten. Wie sie darin enthalten ist
und inwiefern die transzendentale Fragestellung auf die
spekulative verweist und ihrer bedarf, wird im Anschluß an Kant
zu zeigen sein, denn die spekulative Frage ist nicht die
Ausgangsfrage Kantens. Kant geht aus von der Antinomie von
empiristischem Skeptizismus und ontologischem Dogmatismus und
spielt sie an der Differenz von Ding und Denken durch, die
dieser Antinomie zugrundeliegt. Die Ontologie wird darum von ihm
belehrt, daß sie das Gedankending nicht mit dem Gegenstand der
Erfahrung und das Denken nicht mit dem Erkennen verwechseln
dürfe. Der Empirismus wird hingegen belehrt, daß die
Gegen-stände der Erfahrung und ihre Zusammensetzungen kein
Gegebenes, sondern ein vom Denken mit Bezug auf das
Anschauungsmaterial Gemachtes sind. Die Differenz von Ding und
Denken bleibt solcherart in Kants transzendentaler Frage nach
den Bedingungen der Möglichkeit des Denkens eines Gegenstandes
überhaupt aufbewahrt. Sie macht sich in Kants Antworten auf
diese Frage aber auch geltend und bleibt als bloße Differenz von
Verstandesspontaneität und rezeptiver Sinnlichkeit der blinde
Fleck, um den seine Argumentationen kreisen.
Die ersten vier Kapitel des vorliegenden Buches
folgen diesem Kreisgang der Kantischen Beweisführung. Das
Beweisziel: die transzendentallogische Entdeckung der Formen des
Denkens eines Gegenstandes überhaupt, versuchen die Kapitel 5
und 6 einzulösen, indem - im Gegensatz zur ‚exoterischen‘ Lehre
Kantens und zur nach-idealistischen Standardinterpretation des
Kritizismus - die Vereinbarung von transzendentalem Idealismus
und empirischem Realismus nicht in einem Apriori gesucht wird,
das schlechterdings mit dem ‚Verstande‘ zu identifizieren wäre,
sondern das gegenstandskonstitutive Verstandesapriori vielmehr
aus ursprünglichen - die Differenz von Verstand und Sinnlichkeit
allererst ermöglichenden - Weisen der Synthesis entwickelt wird.
Diese genetische Grundlegung des Apriori ist anhand der
Prinzipien der klassischen Logik und einer Analyse des
Seinssinnes der Kopula “ist” als transzendentallogische
Differenzierung der Urteilssynthesis durchzuführen und mit Bezug
auf die Gegebenheitsweisen Raum und Zeit durch eine
korrespondierende transzendental-phänomenologische Analyse zu
vervollständigen. Da das genetische Apriori aber nicht
unmittelbar, sondern nur vermittels der reflexiv-synthetischen
Bewußtseinsstruktur auf die Kantischen Gegenstandskategorien
bezogen werden kann, bleibt in Fortführung des Nachweises der
Vollständigkeit der Kantischen Kategorientafel die spekulative
Frage zu beantworten, wie Synthesis (Vermittlung) und damit das
Denken selbst zu denken ist. Dieser Aufgabe und den damit
untrennbar verbundenen Problemen der Verhältnisbestimmung von
transzendentaler und formaler Logik, sowie von regulativer und
konstitutiver Apriorität, sind die letzten vier Kapitel
gewidmet, wobei in diesem Problemzusammenhang der Begriff der
Transzendentalphilosophie in Auseinandersetzung mit einigen
ihrer vor- und nach-kantischen Positionen noch näher zu klären
sein wird. Wollte man das Ergebnis dieser Klärung vorweg
zusammenfassen, dann ließe sich in Abwandlung eines oft
zitierten Kantischen Satzes sagen, daß die transzendentale Logik
seit Platon keinen Schritt rückwärts und mit Kant erst einen
Schritt vorwärts hat tun dürfen und folglich schon von den
ältesten Zeiten her nahezu vollendet sei. Vordergründig
betrachtet, relativiert dieses Resultat den historischen
Anspruch, den Kant an seine ‚Revolution der Denkungsart‘
geknüpft hat, es bekräftigt dafür jedoch um so mehr den
systematischen Anspruch, den die Transzendentalphilosophie als
Prinzipientheorie erheben und auch einlösen muß.“
INHALTSVERZEICHNIS [3. Aufl.]
[Vorwort zur dritten Auflage 5]
Vorwort zur zweiten Auflage 7 [6]
Einleitung 13 [15]
1. Exposition der Erfahrungs- und
Prinzipienproblematik 19 [23]
§ 1. Objektivität und subjektive Konstitution der Erfahrung
19 [23]
§ 2. Der prinzipientheoretische Zirkel 23 [27]
§ 3. Dimensionierung oder Definition des Erfahrungsbegriffs?
27 [34]
§ 4. Kritik und System der reinen Vernunft 32 [39]
2. Der ostensive Beweis 35 [44]
§ 5. Vernunft und Erfahrung 35 [44]
§ 6. Die Voraussetzungen der Deduktion 39 [49]
§ 7. Exemplarische Verdeutlichung oder Begründung der
Prinzipien? 42 [54]
§ 8. Apagogische Rekonstruktion oder ostensiver Beweis? 46
[59]
§ 9. Formale und transzendentale Logik 51 [65]
3. Deduktion und Schematismus – Verstand und innerer
Sinn 54 [69]
§ 10. Die Transzendentale Deduktion 54 [69]
§ 11. Das Schematismuskapitel 59 [76]
§ 12. Die subjektive Deduktion 62 [80]
§ 13. Der Paralogismus des inneren Sinns 66 [85]
4. Das Leitfadenkapitel und die Problematik des Dings
an sich 69 [89]
§ 14. Die Problematik des Leitfadenkapitels 69 [89]
§ 15. Der Beweisgang des Leitfadenkapitels 73 [95]
§ 16. Form und Inhalt der Erscheinung 80 [103]
5. Entfaltung der kategorialen Systematik 83
[108]
§ 17. Die Funktionen der Einheit unter unseren Vorstellungen
83 [108]
§ 18. Verstandesfunktion und Urteilsform 87 [114]
§ 19. Der Satz der Identität 91 [118]
§ 20. Der Satz vom Widerspruch 98 [127]
§ 21. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten 103 [135]
6. Die Vollständigkeit der Kantischen Kategorientafel
110 [142]
§ 22. Einheit von Verstandes- und Gegebenheitsformen 110
[142]
§ 23. Reines Schema und Gegenstandsschema 114 [149]
§ 24. Die Einheit der Reflexion 119 [155]
§ 25. Die reflexiv-synthetische Fundierung der
Gegenstandskategorien 128 [167]
7. Idee und Schluß 132 [173]
§ 26. Vernunftidee und Vernunftgebrauch 132 [173]
§ 27. Aristotelische und aristotelisch-scholastische Logik
136 [179]
§ 28. Frage nach der Einheit der Vernunft 143 [187]
§ 29. Durchgang durch den Skeptizismus 145 [190]
§ 30. Platons Begründung der transzendentalen Logik
152 [199]
8. Transzendentaler Syllogismus und Raumschematismus
156 [204]
§ 31. Der vollständig gesetzte Begriff - Hegel 156 [204]
§ 32. Die Einheit der Zeichenrepräsentation - Peirce 159
[209]
§ 33. Einheit von Subjektivität und Objektivität 164 [215]
§ 34. Der Raumschematismus 167 [219]
9. Idee und Wahrheitswert 176 [231]
§ 35. Der Logos des Seins: Kant und Platon 176 [231]
§ 36. Der Wahrheitswert 182 [239]
§ 37. Selbstreflexion des Logikkalküls 187 [246]
10. Die Selbstobjektivierung der Vernunft 195
[256]
§ 38. Zusammenfassung 195 [256]
§ 39. Erneute Frage nach der Einheit der Vernunft 197
[259]
§ 40. Die Maximen der Vernunft 200 [263]
§ 41. Was heißt: Sich im Denken orientieren? 204 [268]
§ 42. Der reine Idealismus 209 [275]
Tafel der Funktionen und Kategorien 184 [280]
[Nachtrag zur Metaphysischen Deduktion 283]
Literaturverzeichnis 214 [325]
Lebenslauf
Selbstdarstellung
Werke
Literaturhinweise
Kurt Walter Zeidler
Prolegomena
zur
Wissenschaftstheorie, Würzburg (Königshausen &
Neumann) 2000, 184 S.
ISBN 3-8260-1863-X
aus der Einleitung, S. 8ff.:
„Überblickt man die gegenwärtige Lage in der theoretischen
Philosophie, muß man [...] Paul Feyerabend rechtgeben, wenn er
feststellt, daß die meisten „Philosophen, die sich heute mit den
Wissenschaften befassen, [...] logische Prinzipien und wenige
erkenntnistheoretische Annahmen [verwenden]. Das ist alles. Der
Rest wurde von der Wiener ‚Revolution in der Philosophie‘
beseitigt.“
Tatsächlich verstanden sich die Neopositivisten des Wiener
Kreises als Totengräber und Testamentsvollstrecker aller
bisherigen Philosophie und Erkenntnistheorie. Und tatsächlich
ist es der neopositivistischen Wissenschaftstheorie im Verein
mit der sprach-analytischen Philosophie gelungen, die vormalige
Erkenntnistheorie weitgehend zu verdrängen. Da nun aber
mittlerweile auch die Wissenschaftstheorie zunehmend verdrängt
und durch einen erkenntnistheoretischen Nihilismus abgelöst
wird, erscheint es angebracht, die logischen Prinzipien und
erkenntnistheoretischen Annahmen zu überprüfen, von denen die
„Wiener ‚Revolution in der Philosophie‘“ ausging und einige
Stationen des Weges nachzuzeichnen, den die Wissenschaftstheorie
seither zurückgelegt hat. Nachdem am Ende dieses Weges die mehr
oder minder unverhohlene Absage an alle Prinzipien und die
scheinbare Einsicht in die Beliebigkeit aller
erkenntnistheoretischen Annahmen stehen, kann zunächst nur ein
betrübliches Bild vom Entwicklungsgang der neueren
Wissenschaftstheorie gezeichnet werden: man muß konstatieren,
daß es weder den Vertretern des Wiener Kreises und der
analytischen Wissenschaftsphilosophie, noch deren bekanntesten
Kritikern gelungen ist, eine wissenschaftstheoretische
Konzeption zu entwickeln, die den von ihnen selbst aufgestellten
Rationalitätsstandards genügt. Im Gegensatz zu den derzeit
modischen Verabschiedungen der Erkenntnis- und
Wissenschaftstheorie zieht die vorliegende Untersuchung aus
diesem negativen Ergebnis freilich nicht den Schluß, daß alle
Rationaltätsstandards über Bord zu werfen seien. Sie setzt auch
nicht auf irgendeine der allzeit gängigen
Naturalisierungsstrategien, die ihren Mangel an Gedanken durch
den Überfluß an empirischen Fakten wettmachen wollen, der sich
nach Belieben aus den verschiedensten Wissenschaften
herauskramen läßt. Die vorliegende Untersuchung fragt vielmehr
nach den Gründen, warum es den neueren
wissenschaftstheoretischen Ansätzen nicht gelingt, ihre eigenen
Ansprüche einzulösen. Sie hat daher zunächst die Widersprüche
aufzuzeigen, an denen das neopositivistische Konzept krankt (S.
13ff.), sie hat sodann Schritt für Schritt zu verfolgen,
inwieweit die nämlichen Widersprüche auch an den diversen
analytischen Reparaturversuchen aufbrechen, die am
ursprünglichen Konzept des Wiener Kreises vorgenommenen wurden
(S. 35ff.), und sie hat schließlich auch die Tauglichkeit der
Konzepte zu überprüfen, die sich als Alternativen zur
analytischen Wissenschaftstheorie anbieten (S. 63ff.,
82ff.).
Als Ergebnis dieser kritischen Musterung kann vorweg
festgehalten werden, daß die meisten wissenschaftstheoretischen
Ansätze ein und dem selben Irrtum unterliegen: sie halten die
hehren Vorstellungen, die sie sich von wissenschaftlicher
Rationalität gemacht haben, für die rationalen Voraussetzungen
der Wissenschaft und begehen somit genau den Fehler, den man
gemeinhin ‚idealistischen‘ Philosophen vorwirft – sie
verwechseln ihr Ideal mit der Wirklichkeit. Die mit dieser
Verwechslung einhergehende Konzentration auf ein einseitiges
Methodenideal entfachte den missionarischen Eifer mit dem die
‚wissenschaftliche Weltauffassung‘ gegen die ‚traditionelle
Philosophie‘ ins Feld zog, sie erstickte darum aber auch alle
Hoffnung auf theoretische Einsicht: denn sobald die Verwechslung
unter den Anhängern der neueren Wissenschaftstheorie ruchbar
wurde und sie zu ahnen begannen, daß es sich bei der
‚wissenschaftlichen Weltauffassung‘ um ein Stück
Gegenwartstheologie handelt, verloren sie mit ihrem Glauben auch
alle Hoffnung auf eine systematische Begründbarkeit der
wissenschaftlichen Erkenntnis. Dadurch traten an die Stelle der
theoretischen Einsichten, die man sich von einer neuen
Wissenschaftslogik erhofft hatte, zunehmend skeptizistische
Diskurse über die Wissenschaften und wurde das ‚Faktum‘
Wissenschaft zunehmend zu einem Gegenstand empirischer
Beschreibungen. Die Tatsachen, die durch die empirische
Wissenschaftsforschung und die Wissenschaftsgeschichte an den
Tag gebracht werden, liefern aber weder eine Theorie der
Wissenschaften, noch bieten sie einen Ersatz für die
erkenntniskriische Reflexion, die vordem durch die
Wissenschaftstheorie ersetzt werden sollte. Auf solche Weise
führten die unerhörten Erwartungen, die man in die
wissenschaftstheoretische Neuorientierung der Philosophie
gesetzt hatte, geradewegs in die Orientierungslosigkeit, die das
Signum der Gegenwartsphilosophie ausmacht und von ihr teils
unter dem Schlagwort „anything goes“ akklamiert und teils mit
geschäftigem Gerede von Interdisziplinarität, Interkulturalität
und Intersubjektivität überspielt wird, sofern sie sich nicht
von den Problemen der Gegenwart überhaupt abwendet und nur noch
der greisenhaften Erinnerung an einstige Taten lebt.
Sollte der Gegenwart eine lebendige Erinnerung an das, was
Systematische Philosophie bedeuten könnte, zu vermitteln sein,
wird man daher den Faden der systematischen Überlegungen dort
aufgreifen müssen, wo er der Philosophie des 20. Jahrhunderts
verloren ging: in der Wissenschaftstheorie, die als einziger
legitimer Erbe aller wissenschaftlich-systematischen Ansprüche
der Philosophie antrat, dieses Erbe aber alsbald verspielte,
weil sie auf ein idealisches Wunschbild von Wissenschaft und ein
einseitiges Methodenideal gesetzt hatte. Im systematischen Teil
der vorliegenden Untersuchung werden daher ein
wissenschaftstheoretisches Modell der Theoriendynamik und die
Grundzüge einer allgemeinen Methodenlehre zu entwickeln sein (S.
102ff.); ein Modell der Theoriendynamik und eine allgemeine
Methodenlehre, die sich von den in der heutigen
Wissenschaftstheorie gängigen Vorstellungen unterscheiden, weil
sie sich nicht die spezifischen Methoden einzelner
Wissenschaften zum Vorbild nehmen, sondern den Gegensatz von
normativer Wissenschaftslogik und deskriptiver
Wissenschaftsgeschichte zu überwinden trachten. Da der Gegensatz
von Wissenschaftslogik und Wissenschaftsgeschichte vor allem
durch das deduktiv-axiomatische Logikverständnis der
analytischen Wissenschaftstheorie provoziert wurde, ist freilich
nicht nur der Methodenbegriff zu differenzieren, sondern es
werden auch verschiedene Arten des Logikverständnisses zu
unterscheiden sein (S. 125ff.). Diese Differenzierungen
verlangen den Überstieg von der Wissenschaftstheorie und der
allgemeinen Methodenlehre in die Philosophie, da ein
differenzierter Methodenbegriff und ein Logikverständnis, das
der Theoriendynamik gerecht wird, nur im Horizont der
erkenntniskritischen Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit
der wissenschaftlichen Erkenntnis entwickelt werden können (S.
143ff.). Im Horizont dieser Frage und speziell im Hinblick auf
den kritischen Anspruch, der an den Titel Prolegomena zur
Wissenschaftstheorie gebunden ist, wird schlußendlich auch
eine pünktliche Bestimmung des Verhältnisses von Philosophie,
allgemeiner Methodenlehre und Wissenschaftstheorie zu
formulieren sein.“
Inhalt
Einleitung 7
Der Wiener Kreis - Zwischen Empirismus und
Konventionalismus 13
Semantik, Semiotik und Falsifikationismus 35
Wissenschaftsgeschichte versus Wissenschaftslogik
63
Konstruktivistische und hermeneutisch-dialektische
Wissenschaftskritik 82
Theoriendynamik und Methodenlehre 102
Universale, spezielle und spezifische Methoden
125
Die Logik der Wahrheit 143
Literaturverzeichnis 165
Personenregister 176
Sachregister 180
Lebenslauf
Selbstdarstellung
Werke
Literaturhinweise
Kurt Walter Zeidler
Grundlegungen. Zur Theorie der Vernunft und
Letztbegründung, Wien (Ferstl & Perz) 2016, 308 S.
ISBN 978-3-902803-15-3
Um den Begriff der Vernunft, die angeblich das Merkmal ist, das
den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet, ist es
schlecht bestellt. Nicht besser steht es um den Begriff der
Begründung oder gar Letztbegründung. Vergeblich sucht man
eindeutige und klare Antworten auf die schlichten Fragen: Was
ist die Vernunft? Was bedeutet Begründung? Wie ist ein Prinzip aller Prinzipien
oder Letztbegründung überhaupt zu denken?
Antworten auf diese Fragen suchen die Beiträge dieses Bandes in
einer elementaren Begriffs- und Schlußlogik, die den Begriff der
Vernunft expliziert, die festgefahrenen Fronten im scheinbar
längst ad acta gelegten Universalienstreit aufbricht und damit
dem Idealismus das logische Rüstzeug für die überfällige
Auseinandersetzung mit dem gegenwärtig dominierenden Empirismus
und Skeptizismus nachreicht.
Aus dem Vorwort:
Grundlegungen sind die
Beiträge dieses Bandes in zweifacher Hinsicht, denn sie sind
allesamt Sondierungen zum Thema Vernunft und Begründung. Von
dem einleitenden Originalbeitrag (Vernunft
und Letztbegründung) abgesehen, handelt es
sch um Aufsätze aus den Jahren 1981 bis 1996, die
Vorarbeiten leisten und Ergänzungen liefern zu den
systematischen Monographien, dem Grundriß
der transzendentalen Logik
(1992) und
den Prolegomena
zur Wissenschafstheorie (2000). Die
vorliegenden Arbeiten dokumentieren somit zum einen über
den Zeitraum von fünfzehn Jahren meine Bemühungen, im
Dickicht der philosophischen Lehrmeinungen und
Überlieferungen einen gangbaren Weg zu finden, zum anderen
stehen sie alle im Dienste der Aufgabe, die der früheste
Beitrag Transformationen
der Logik (1981) in die Worte faßt: „ein
am Kantischen Anspruch einer Vermittlung
von Vernunft- und Erfahrungserkenntnis
festhaltendes Philosophieren
[steht] vor der Aufgabe, die bei Kant noch urteilslogisch
(kategorial) aufgefaßte (damit aber bereits
vernunftkritisch ‚aufgelöste‘) Vermittlung
selbst
zu
thematisieren".
INHALTSVERZEICHNIS
Vernunft und
Letztbegründung
11
Transformationen der
Logik
61
Urteil
und Schluß
Anmerkungen zur
Kritik der reinen Vernunft 85
Reflexivität und Begründung
Zur Frage nach den
Voraussetzungen
rationaler
Argumentation
105
Die transzendentale Geschichte
der Ichs
Deduktion und Schematismus
der reinen
Verstandesbegriffe
141
Zeichen
und Schluß: Peirce und Hegel
197
Die Dialektik der praktischen
Vernunft
und
ihre
Maximen
217
Die
Heautonomie der Vernunft
249
Die Kopernikanische und die
semiotische
Wende der
Vernunft
275
Nachweise
307
Lebenslauf
Selbstdarstellung
Werke
Literaturhinweise
Kurt Walter Zeidler
Vermittlungen.
Zum antiken und neueren Idealismus, Wien (Ferstl & Perz) 2016,
370 S.
ISBN 978-3-902803-19-1
Vermittlungen
zwischen antikem und neuerem Idealismus, sowie zwischen
Transzendentalphilosophie und Phänomenologie und mit ihnen das
Idealismus-Realismus-Problem, sind das Leitthema der in diesem
Band gesammelten Beiträge. Dabei geht es in Auseinandersetzung
mit dem antiken und dem neueren Idealismus vor allem darum,
den scheinbaren Gegensatz zwischen dem Idealismus Platons und
dem Realismus des Aristoteles ebenso zu überwinden, wie die
fruchtlosen und polemischen Entgegensetzungen von kritischem
(Kant), subjektivem (Fichte), objektivem (Schelling) und
absolutem (Hegel) Idealismus. Soll das groe Versprechen des
antiken und des neueren Idealismus: die
Prinzipienbestimmtheit von Allem und damit die Philosophie
als Prinzipienwissenscha zu erweisen, eingelöst werden, ist
es wenig hilfreich wenn man nur Gegensätze beschwört, statt
ihnen auf den Grund zu gehen.
Die Beiträge dieses Bandes suchen die Lösung in der in den
GRUNDLEGUNGEN (Wien 2016) entwickelten elementaren Begriffs-
und Schlulogik, d.h. im Lichte der Einsicht, daß
die Vernun wirklich ist in der schlulogischen Vermittlung
der drei Weisen auf die das Wirkliche an der Idee Teil hat.
Wie diese Formel zu verstehen ist, wie sie sich an
verschiedenen historischen Ausprägungen des Idealismus und
inwieweit an den Sachproblemen bewährt, sollen die
vorliegenden Untersuchungen zeigen.
INHALTSVERZEICHNIS
Genetischer Naturalismus
und Idealismus
Überlegungen zum genetischen Naturalismus
von Günter Dux
11
Natur und Freiheit,
mit Blick auf
Cassirer und Heidegger
43
Die
Wesentlichkeit einer
subjektiven Deduktion
59
Hat Platons Höhle einen
Ausgang?
75
Unerledigte Probleme der
Vernunftkritik 91
Syllogismus est principium
Idealismi
109
Die
Antinomien in der
"Kritik der Urteilskraft"
129
Die Logik der Gottesbeweise und
die
Logik der (Post-)Moderne
157
Der
logische Ort der Freiheit
175
Platons Antizipation und
Überwindung
des
Universalienstreites
191
Elementarlehre oder
Transzendentale
Phänomenologie
209
Letztbegründung als
transzendentale
Theorie konstitutiver
Relationalität 299
Monade und System oder
Perspektivismus versus
System?
317
Bestimmung und
Begründung
Zu Kants Deduktion der
Ideen der reinen Vernunft
333
Nachweise
367
Lebenslauf
Selbstdarstellung
Werke
Literaturhinweise
Kurt Walter Zeidler
Provokationen.
Zu Problemen des Neukantianismus, Wien (Ferstl & Perz) 2018,
358 S.
ISBN 978-3-902803-26-9
Der Neukantianismus war die letzte Philosophie von Weltgeltung,
die in ihrer Programmatik
den idealistischen Ansatz vertrat und den prinzipientheoretischen
Anspruch stellte. Aber auf verhängnisvolle Weise ist er gerade aufgrund seiner
prinzipientheoretischen Mängel geschichtsmächtig geworden. Da er seinen
systematischen Anspruch auf Fakten gründete, die er vorschnell zu Prinzipien
stilisiert hatte, wurde er von der Geschichte überrollt. Die Mängel wurden am
Beginn des 20. Jahrhunderts unübersehbar, wurden
aber keineswegs zum Anstoß für die fällige Vertiefung
der Prinzipienreflexion
und Erneuerung des Idealismus.
Die Beiträge dieses Bandes zeigen an vielen Beispielen Defizite
der neukantianischen
Ansätze sowie deren Folgen auf, aber auch Punkte, an die
man anknüpfen
und die vom Neukantianismus begonnene Arbeit fortsetzen
könnte. Insofern
ergänzt der vorliegende Band die VERMITTLUNGEN. Zum antiken
und neueren
Idealismus (Wien 2016).
Lebenslauf
Selbstdarstellung
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