Kurt Walter Zeidler
 

Zeichen und Schluß: Peirce und Hegel
 
 

(zuerst erschienen in: L. Nagl et al. (Hg.), Philosophie und Semiotik (Sektionsakten - Zweiter Kongreß der Österreichischen Gesellschaft für Philosophie - Universität Wien, März 1990), Wien 1991, S. 153-166)
 
 

Der Umstand, daß Peirce selbst wiederholte Male die ‚Verwandtschaft' zwischen seiner Philosophie und derjenigen Hegels betont, könnte von vornherein als faktizitäres Argument zur Absicherung und Rechtfertigung unserer Themenstellung herangezogen werden. Es geht mir jedoch im folgenden weniger um eine philosophiegeschichtliche ‚Vergleichung' der Theorien Hegels und Peirces, als vielmehr um die systematischen Grundlagen der Peirceschen Semiotik. Diese Grundlagenreflexion soll der vorbereitenden Klärung zweier Fragen dienen: sie erfolgt im Hinblick auf die Frage nach der Einheit der Semiotik,(1) die bekanntlich - aufgrund unterschiedlichster Ansätze und Forschungsprogramme - in die unterschiedlichsten ‚Semiotiken' auseinandertriftet, sowie im Hinblick auf die Möglichkeit einer systematischen Rekonstruktion und Reaktualisierung der Transzendentalphilosophie. Ich gehe somit an die - in ihrer Heterogenität und Vielschichtigkeit bekanntermaßen recht unübersichtlichen - Bruchstücke des Peirceschen Denkens, mit der Interpretationsmaxime heran, daß sie als Versuche einer Weiterentwicklung der Kantischen Transzendentalphilosophie zu verstehen sind.

Diese These wurde im Rahmen der deutschen Peirce-Rezeption, die im Jahre 1952 mit Jürgen v. Kempskis Abhandlung ‚Charles S. Peirce und der Pragmatismus' (Stuttgart 1952) einsetzte, bereits recht unterschiedlich akzentuiert. Während v. Kempski in der semiotischen Transformation der Transzendentalphilosophie eine „Verkürzung" des Kantischen Ansatzes erblickt, die aus einem mangelnden Verständnis für Kants ‚transzendentale Synthesis der Apperzeption' resultiere (J. v.Kempski [1952], S. 57ff.), sieht Karl-Otto Apel im Lichte seines hermeneutisch und neukantianisch gefärbten Sozialapriorismus den Vorzug der Peirceschen gegenüber der Kantschen Konzeption gerade darin, daß ihr ‚höchster Punkt' nun eben nicht mehr die ‚transzendentale Einheit der Apperzeption' und damit die Einheit des Gegenstand-Bewußtseins überhaupt ist, sondern die Einheit einer konsistenten semiotischen Weltrepräsentation (die letztlich nur in einer unbegrenzten Experimentier- und Kommunikationsgemeinschaft erreicht werden kann). (Apel [1975], S. 211) Gegen dieses „intersubjektive Analogon zu Kants ‚transzendentaler Einheit des Bewußtseins'" (Apel [1976], S. 164), erklärt wiederum Helmut Pape (Erfahrung und Wirklichkeit als Zeichenprozeß, Frankfurt/M 1989): „Peirce versucht in Wahrheit nicht, die Einheitsfunktion des Subjekts ‚intersubjektiv' einzulösen. Er ist also, wenn auch nur in dieser Hinsicht, ein wesentlich orthodoxerer Kantianer als Apel, da er am individuellen Subjekt in Form des semiotischen Subjekts, das über phänomenologische Evidenzen verfügt, festhält - gerade dort, wo er eine semiotische Analyse vorschlägt." (H. Pape [1989], S. 100)

Systematische Erwägungen und der schlichte Befund der Peirceschen Texte sprechen m.E. in dieser Streitfrage für die von Helmut Pape bezogene Position: Peirce ist kein Neukantianer, der im ‚Normalbewußtsein' (Windelband) oder in der ‚Einheit des Kulturbewußtseins' (Cohen) oder in einem ‚unbegrenzten intersubjektiven Konsens' (Apel) einen ebenso imaginierbar-vorstellungshaften wie imaginären Ersatz für die Einheitsfunktion des transzendentalen Subjekts sucht (vgl. K.W. Zeidler [1995], S. 17f., 71f.). Seine Philosophie ist vielmehr als eigenständiger und konsequenter Versuch einer systematischen Bewältigung der logischen Problematik zu verstehen, die Kant mit seiner Unterscheidung von formaler und transzendentaler Logik aufgezeigt und mit dem Hinweis auf die Einheits- und Fundierungsfunktion der transzendentalen Synthesis der Apperzeption zwar terminologisch fixiert, aber nicht befriedigend gelöst hat. Der ‚Denkweg von Charles S. Peirce' liegt solcherart quer zu der breiten Heerstraße epigonaler Kantinterpretationen, die sich einseitig an den vermeintlichen ‚Ergebnissen' der Vernunftkritik orientieren und daher zunächst den Inbegriff der transzendentallogischen Erfahrungsbedingungen von eben diesen Bedingungen abkoppeln, danach voller Verwunderung die Abstraktheit dieses Inbegriffs - des vielberufenen ‚Bewußtseins überhaupt' - beklagen (vgl. Apel [1975], S. 78) und ihn dann schließlich durch ein quasi-transzendentales Faktum (‚die Wissenschaft', ‚die Geschichte', ‚die Sprache', ‚die Gesellschaft' usw.) ersetzen, das jeweils nach dem dernier cri kostümiert werden kann. Die Geschichte der nach-idealistischen Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts bietet denn auch ein dementsprechend variantenreiches Spektrum solch modischer Versatzstücke, die allesamt, wenn schon nicht die Philosophie überhaupt, so doch deren systematischen Anspruch verabschieden.

Von einer derartigen Verabschiedung des systematischen Anspruches der Philosophie kann jedoch bei Peirce ebensowenig die Rede sein, wie von einem mangelnden Verständnis für die transzendental-logische Fundierungsproblematik der Philosophie. Unser Vergleich zwischen Hegels begriffslogischer und Peirces semiotischer Transformation der Kantischen Transzendentalphilosophie soll diese Behauptung zumindest thesenhaft illustrieren. Dieser Vergleich ist von zwei Punkten her durchzuführen: erstens im Hinblick auf die „unbegrenzte Experimentier- und Kommunikationsgemeinschaft", die Karl-Otto Apel als den ‚höchsten Punkt' identifiziert, „der Peirce eine transzendentale Deduktion der objektiven Geltung [...] der Wissenschaft ermöglicht" (Apel [1976], S. 100), zweitens im Hinblick auf die logische Struktur, die tatsächlich - und zwar sowohl für Peirce wie auch für Hegel - dieser höchste Punkt ist.

Zuvor sei allerdings noch eine Peircesche Selbstcharakterisierung zitiert, die uns als Übersetzungshilfe bei diesem zweistufigen Vergleich dienen soll. In einem seiner zahlreichen Systementwürfe - es handelt sich um den Entwurf zu einem auf 12 Bände berechneten Werk über die ‚Prinzipien der Philosophie' (1893) - schreibt Peirce, daß seine Prinzipien „eine enge Verwandtschaft zu denjenigen Hegels [zeigen]. Vielleicht stellen sie das dar, was die Hegelschen hätten sein können, wenn er in einem physikalischen Laboratorium statt in einem theologischen Seminar erzogen worden wäre." (CP 8, S. 283; Apel [1975], S. 30). Diesen authentischen Hinweis auf den unterschiedlichen Kontext des Hegelschen und des Peirceschen Denkens in Erinnerung behaltend, können wir uns nunmehr endgültig unserem eigentlichen Thema ‚Peirce und Hegel' zuwenden. Übersetzt man nämlich die forschungslogische Perspektive der Peirceschen Philosophie in die Begrifflichkeit von Hegels philosophischer Theologie, dann drängt sich gerade im Horizont der Peirce-Interpretation Apels eine Parallele auf, die unsere systematischen Vorbehalte gegenüber einer intersubjektiven Einlösung des transzendentalen Subjekts verdeutlicht. Es läßt sich dann nämlich aus dem Umstand, daß der Begriff der Realität für Peirce „wesentlich den Gedanken einer GEMEINSCHAFT einschließt, die ohne definitive Grenzen ist und das Vermögen zu einem indefiniten Wachstum der Erkenntnis besitzt" (CP 5.311; WP 2, S. 239; PP S. 76), nicht mehr kurzerhand der (links-hegelianische) Schluß ziehen, daß dieser „Gedanke (notion)" einer unbegrenzten Experimentier- und Forschungsgemeinschaft zugleich der ‚höchste Punkt' sein müsse, „der Peirce eine transzendentale Deduktion der objektiven Geltung [...] der Wissenschaft ermöglicht" (Apel [1976], S. 100), sondern es wird vielmehr deutlich, daß in diesem Zusammenhang weit eher an Hegels Begriff der Gemeinde(2) oder auch an Kantens Rede von einem noumenalen Reich der Zwecke zu denken ist, zumal diese beiden Termini in letzter Konsequenz wiederum für dasjenige einstehen, was der Alltagsverstand die ‚objektive Realität' nennt.

Da diese letzte Konsequenz dem common-sense paradox und unverständlich erscheinen muß, sind an dieser Stelle einige grundsätzliche Überlegungen angebracht. Der gesunde Realismus unseres Alltagsverstandes spricht geradehin über diese ‚objektive Realität', weil er immer schon vergessen hat, daß eben diese Realität dasjenige ist, was immer noch in Frage steht. Die Philosophie hingegen in ihrer Gebrochenheit, lebt aus eben dieser Frage. Darum kann sie nicht selbst in direktem Zugriff diese Realität in Anspruch nehmen, sondern muß sich in deren Anspruch nehmen lassen. Peircens Begriff der ‚Gemeinschaft' und Hegels Begriff der ‚Gemeinde' sind Versuche, diesem Anspruch der Realität philosophisch gerecht zu werden. Mit anderen Worten: diese Begriffe formulieren einen Zielhorizont und letztverbindlichen Bezugspunkt für unsere Handlungen. Dieser letztverbindliche ‚höchste Punkt' unserer Handlungsperspektive kann aber weder schlechthin identisch noch schlechthin nicht-identisch sein mit der transzendentalen Synthesis der Apperzeption, mit jenem ‚höchsten Punkt', an den man laut Kant „allen Verstandesgebrauch, selbst die ganze Logik, und, nach ihr, die Transzendental-Philosophie heften muß" (KrV B 134).(3) Diese Einsicht in die Notwendigkeit der Vereinbarung und gleichzeitigen Differenzierung von Verstand und Handlungsperspektive ist nichts anderes als die Einsicht in die Daseinsberechtigung der Philosophie: setzt sie nämlich beide höchsten Punkte schlechthin identisch, identifiziert sie die Handlungsperspektive mit ihrem, mit unserem jetzigen Wissen, dann verkommt sie unweigerlich zu einer sich pseudo-wissenschaftlich dogmatisierenden Ideologie; beläßt sie jedoch beide ‚höchsten Punkte' in schlechthiniger Nicht-Identität und verzichtet auf jegliches Wissen um die Verbindlichkeit der Handlungsperspektive, dann verfällt sie der Unverbindlichkeit des Historismus. Dieses Dilemma sitzt aller Philosophie unausweichlich im Nacken, da es ja nur die Folge davon ist, daß die Philosophie aus der Frage nach der ‚objektiven Realität' lebt, was in der Folge wiederum bedeutet, daß es auch nicht weiter verwunderlich wäre, wenn auf diesem Dilemma etliche der Gegensätze beruhten, die seit zweieinhalb Jahrtausenden den Streit der philosophischen Systeme bestimmen.

Immanuel Kant, der diesem Streit mit seiner Vernunftkritik ein für allemal ein Ende bereiten wollte, durchschaute die fundamentale Bedeutung unseres Dilemmas zu mindest insofern, als er die Schlichtung dieses ‚dialektischen' Streites der Nicht-Identität von Verstand und Handlungsperspektive anvertraute und sie daher im wesentlichen in den Unterscheidungen von Sinnlichkeit und Verstand(4) und von Verstand und Vernunft (konstitutiven und regulativen Prinzipien) bzw. von theoretischer und praktischer Vernunft suchte. Diesen Kantischen Explikationen der Nicht-Identität von Verstand und Handlungsperspektive (d.h. seiner Metaphysik-Kritik) war bekanntlich ein durchschlagender Erfolg beschieden, weniger überzeugend hingegen waren seine Bemühungen, die der zweiten Seite des Dilemmas und damit seiner endgültigen Auflösung gelten. Die verschiedenen Anläufe, in denen Kant versucht, auch der Identität von Verstand und Handlungsperspektive gerecht zu werden (es sind dies im Horizont der theoretischen Vernunft die Transzendentale Deduktion, der transzendentale Schematismus der Einbildungskraft und die reflektierende Urteilskraft) bleiben in ihrer Durchführung allesamt undurchsichtig und verworren. Warum sie so undurchsichtig und verworren bleiben, haben seine Schüler schon früh durchschaut: Kant scheitert demnach beim Versuch der Vereinbarung von Verstand und Handlungsperspektive aufgrund der vorgängigen ‚Isolierung' beider Perspektiven. Verstand und Handlungsperspektive müssen daher zugleich in ihrer Identität und Nicht-Identität entfaltet werden. Es kann nicht zuerst die kategoriale Gesetzlichkeit des Verstandes am ‚Leitfaden' der formalen Logik festgemacht und erst im nachhinein auf ihre ‚objektive Gültigkeit' (transzendentale Deduktion) und ihre Anwendbarkeit auf ‚Erscheinungen' (Schematismus und reflektierende Urteilskraft) hin untersucht werden, sondern es sind vielmehr Begründungs-, Rechtfertigungs- und Anwendungsproblem von vornherein als transzendental-logischer Entdeckungszusammenhang zu exponieren. Im Streben nach dieser Einheit von metaphysischer und transzendentaler Deduktion sind sich alle Hauptrepräsentanten des Deutschen Idealismus einig: so nennt Fichte seine Wissenschaftslehre in diesem Sinne „eine pragmatische Geschichte des menschlichen Geistes" (Fichte SW I, S. 222) und spricht Schelling von der Notwendigkeit, „den unzerreißbaren Zusammenhang des Ich mit einer von ihm nothwendig vorgestellten Außenwelt durch eine dem [...] empirischen Bewußtseyn vorausgehende transcendentale Vergangenheit dieses Ich zu erklären", durch eine „transcendentale Geschichte des Ichs" (Schelling SW X, S. 94), die sich schließlich bei Hegel in eine transzendentale Geschichte des absoluten Geistes verwandelt.

Der methodische Ansatzpunkt dieser Verwandlung in einen absoluten Idealismus ist - seiner Struktur nach - identisch mit dem ‚höchsten Punkt' von Peirces semiotischer und forschungslogischer Transformation der Kantischen Transzendentalphilosophie. Diese Gemeinsamkeit entspringt dem gemeinsamen Anliegen einer ursprünglichen Vereinbarung von Verstand und Handlungsperspektive, wobei die bei Hegel und Peirce je unterschiedliche Durchführung dieses gemeinsamen Anliegens vielleicht etwas verständlicher macht, warum ich Sinnlichkeit und Vernunft - die beiden Eckpunkte der Kantischen Architektonik - unter den Oberbegriff ‚Handlungsperspektive' zusammenfasse. Während nämlich Hegel diese Handlungsperspektive auf die (letztlich als triadische Selbstexplikation Gottes zu deutende) ‚Vernunft' hin entfaltet, wird sie von Peirce als Zeichenrepräsentation und somit von der ‚Sinnlichkeit' her gedacht.(5)

Peirce stellte die - in aller bloß formalen Logik ausgeklammerte - Frage nach den Bedingungen, die es einem Zeichen ermöglichen, sich auf Gegegnstände zu beziehen, bereits in seiner 1. Harvard-Lecture (Feb.-März 1865), wenn er die „Logik [...] als die Wissenschaft von den Bedingungen [definiert], welche Symbole im allgemeinen instand setzen, sich auf Gegenstände zu beziehen" (WP 1, S. 175; SS 1, S. 104). Aufgrund dieser Definition tritt an die Stelle der Kantischen Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit der Zeichenrepräsentation. Es ist damit bereits klar die umfassende Problemstellung einer semiotischen Transformation der Transzendentalphilosophie umrissen,(6) insofern die grundsätzliche Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit der Zeichenrepräsentation von vornherein drei speziellere Fragen und Problemhorizonte einschließt. Es ist dies erstens die Frage ‚Was ist ein Symbol? ', d.h. die spezifisch semiotische Problematik der Zeichenklassifikation; zweitens, die transzendentallogische Frage nach der logischen Struktur jener „Bedingungen, welche Symbole instand setzen, sich auf Gegenstände zu beziehen"; drittens, die im engeren Sinne ‚transzendental-semiotische' Frage nach dem Zusammenhang zwischen semiotischer und transzendental- bzw. forschungs-logischer Problematik.

Peirce hat diese grundlegenden Fragen im wesentlichen bereits in seinen Harvard- und Lowell-Lectures der Jahre 1865 und 66 beantwortet und diese Antwort in einem Vortrag vor der American Acadamy of Arts and Science mit dem Titel ‚On a New List of Categories' zusammengefaßt (CP 1.545-559; WP 2, S. 49-59; SS 1, S. 147-159), den er noch knapp vier Jahrzehnte später als seinen wichtigsten Beitrag zur Philosophie - als "my one contribution to philosophy" (CP 8.213, Peirce [1976], S. 583) - bezeichnen sollte. Das Ergebnis dieser Bemühungen um eine ‚neue Kategorientafel' besteht kurzgefaßt darin, daß Peirce den Zusammenhang von semiotischer und transzendentallogischer Problematik als ein wechselseitiges Bedingungsverhältnis von Zeichenklassifikation (Icon - Index - Symbol) und transzendentallogischer Erkenntnisstruktur (Abduktion - Deduktion - Induktion) begreift. Diese transzendentallogische Erkenntnisstruktur ist nämlich als ein dreifacher Schluß zu verstehen, der einerseits formal in sich vermittelt und geschlossen ist, andererseits aber dennoch zugleich offen bleibt für jene phänomenologischen Evidenzen, die Peirce in seiner Zeichenklassifikation als ikonische Qualitäten und indexikalische Objektbezüge bezeichnet. Demnach liefert uns die - formallogisch als der Schluß von maior und conclusio auf den minor zu beschreibende - Hypothesis oder Abduktion die ursprüngliche (auf die Intension des Begriffs bezogene) begriffliche Repräsentation eines Ikons; ist die Induktion - das formallogisch als Schluß von minor und conclusio auf den maior zu beschreibende Verfahren der Klassenabstraktion - die schlußlogische Repräsentation eines Index und ist drittens, der deduktive Syllogismus die Repräsentation des Symbols, da er die Prädikats- und die Subjektsfunktion seines Mittelbegriffs gleichermaßen expliziert und solcherart Intension und Extension des Begriffs vermittelt (vgl. WP 1, S. 485; WP 2, S. 58f.). Während die formale Logik diese Vermitteltheit von Intension und Extension als formallogisch irrelevanten Gegenstandsbezug des Begriffs deutet und sich darum einseitig an der Deduktion, d.i. an der immer schon gelungenen Prädikation, orientiert, deckt Peirce anhand der Parallelisierung von ‚Icon' und ‚Index' mit den zwei synthetischen Schlußweisen Abduktion und Induktion phänomeno-logische Voraussetzungen der Prädikation auf, die sich (in Entsprechung zu Kants metaphysischer Deduktion der Kategorien)(7) als transzendentallogische ‚Bedingungen der Möglichkeit' der Zeichenrepräsentation legitimieren, insofern sie aus der kombinatorischen Umformung und Vervollständigung des formallogischen Subsumtionsschemas entstanden sind.

Peirce liefert damit das semiotische und forschungslogische Analogon zu Hegels begriffslogischer Transformation der Kantischen Erkenntniskritik, deren ‚höchsten Punkt' (die transzendentale Einheit der Apperzeption) auch Hegel als selbstexplikativen dreifachen Schluß deutet.(8) Es ist geradezu der Grundgedanke Hegels, daß der Schluß die prozessuale, sich selbstregulativ vermittelnde Einheit von Erkenntnisgegenstand und Erkenntnissubjekt darstellt, daß die im „Begriff des Begriffs" begriffene transzendentallogische Struktur der Subjektivität nichts anderes als der Schluß und daher auch „alles Vernünftige [...] ein Schluß" ist (Hegel TW 6, S. 352), und es ist dieser Grundgedanke, anhand dessen er Subjektivität, Naturzweck und trinitarischen Gottesbegriff (9) zusammendenkt und dergestalt die Inhalte der Kantischen Transzendentalphilosophie, der Aristotelischen Substanzmetaphysik und der Christlichen Religion im Sinne der „absoluten Methode" vermittelt. Der historistische Mythos vom ‚Zusammenbruch des Deutschen Idealismus', die positivistische Vereinnahmung der Logik und die ideologischen Vereinnahmungen Hegels haben mit vereinten Kräften den Zugang zu diesem konstitutiven Grundgedanken der Hegelschen Systematik verschüttet: was Hegel als die Struktur der Vernunft und des Vernünftigen erkannte, wird unter nach-idealistischen Voraussetzungen zum schlagenden Beweis seiner Unvernunft(10) oder wird schlicht zum logischen Zirkel.(11) Da Peirce in seiner Doppelfunktion als Begründer der Semiotik und des Pragmatismus mittlerweile zu einem Klassiker der Moderne geworden ist, kann vielleicht gerade der Hinweis auf seine analogen Überlegungen zur Schlußlehre dazu beitragen, diesen Bann zu durchbrechen. Ganz unabhängig von solchen strategischen und im Grunde genommen bloß wissenschaftspolitischen Überlegungen bleibt m.E. jedoch die systematische Relevanz eines näheren Vergleiches der Peirceschen und Hegelschen Schlußlehren für eine - allererst noch zu leistende - systematische Rekonstruktion der Hegelschen Philosophie und für die damit in Zusammenhang stehende Klärung des so vielfältig in den verschiedensten Couleurs schillernden Begriffs ‚Dialektik'.

Ich komme damit auf das eingangs erwähnte Problem der Einheit der Semiotik zurück. Wenn die Peircesche Semiotik im Laufe der Zeit das gleiche Schicksal erfahren hat wie die Hegelsche Dialektik, wenn die methodischen Grundlagen beider Theoreme weithin im Dunkel liegen und sie dennoch - oder vielleicht auch gerade deswegen - immer wieder erneute Anwendung in jenen Wissenschaften finden, die sich mit den sozialen und kulturellen Gestaltungen der menschlichen Lebenswelt beschäftigen, so ist dies m.E. darauf zurückzuführen, daß beide ihrem philosophischen Ursprung und Anspruch nach eine philosophische Logik und Logik der Philosophie intendieren; d.h. eine Logik, die den für den Vollbegriff von Subjektivität konstitutiven Zusammenhang von beurteilendem Verstand und - teils vorgegebener, teils frei entworfener - Handlungsperspektive als die in-sich und über-sich-hinaus vermittelte Struktur eben dieser Subjektivität bestimmt. Es ist darum - die Richtigkeit meiner Vermutungen vorausgesetzt - keine Frage, daß diese Struktur auch auf alle Inhalte übertragbar ist, in denen die Subjektivität sich gegenständlich wird: ist sie doch als Struktur der Subjektivität zwangsläufig auch die ihren Inhalten immanente Struktur. Fraglich bleibt dabei lediglich, wie die Binnenverhältnisse innerhalb dieser Struktur zu deuten sind. Und genau an dieser Frage trennen sich denn auch die Wege von Hegel und Peirce: während Hegel die Identität von Identität und Nichtidentität und die Vermittlung von Unmittelbarkeit und Vermittlung betont, insistiert Peirce auf der Nichtidentität und Unmittelbarkeit der Momente, die den Prozeß der Zeichenvermittlung genetisch bedingen. Die Unmittelbarkeit ikonischer Qualitäten und indexikalischer Objektbezüge ist demnach nicht in der symbolischen Repräsentation aufgehoben. Diese drei Kategorien, für die Peirce im Rahmen seiner späteren Relationentheorie die Ausdrücke Erstheit, Zweitheit und Drittheit prägt, sind irreduzibel, wenngleich es (ich zitiere aus der 3. Pragmatismusvorlesung (1903)) „auch niemals möglich sein [wird], irgendeine Zweitheit oder Erstheit im Phänomen zu finden, die nicht von Drittheit begleitet ist. Würden sich die Hegelianer auf diese Position beschränken, so würden sie in meiner Lehre einen aufrichtigen Freund finden. Aber sie beschränken sich nicht darauf. Hegel ist von der Idee besessen, daß das Absolute Eines ist. [...] Folglich möchte er herausbekommen, daß die drei Kategorien nicht ihren verschiedenen, unabhängigen und unwiderlegliche n Rang im Denken haben. Erstheit und Zweitheit müssen irgendwie aufgehoben sein. Aber das ist nicht wahr. [...] wenn, während Sie die Straße hinuntergehen und darüber nachdenken, wie alles das reine Destillat der Vernunft ist, ein Mann, der eine schwere Stange trägt, Sie plötzlich ins Kreuz stößt, mögen Sie denken, daß es etwas im Universum gibt, das die reine Vernunft nicht erklären kann; und wenn Sie sich die Farbe rot ansehen und sich fragen, wie die reine Vernunft zuwege bringen konnte, daß rot jene völlig unbeschreibliche und irrationale positive Qualität hat, die ihm eigen ist, dann werden Sie vielleicht bereit sein zu glauben, daß Qualität [sc. Erstheit] und Reaktion [sc. Zweitheit] eine unabhängige Stellung im Universum einnehmen." (CP 5.90- 92, PP S. 373f.; vgl. CP 5.436, PP S. 450f.; CP 8.268, PP S. 551)

Gleichwohl sieht Peirce das Problem, daß Erstheit und Zweitheit nicht ohne Drittheit gedacht werden können: sie werden stets „von Drittheit begleitet" und letztere schließt daher „Zweitheit und Erstheit in gewissem Sinne ein . Für Peirce heißt das zunächst und vorallem: „wenn man die Idee der Drittheit hat, muß man die Ideen der Zweitheit und Erstheit gehabt haben, um darauf aufzubauen" (CP 5.91; PP S. 374). Daß diese vordergründige, empiristisch-genetische Deutung der Kategorienverhältnisse für Peirce nie der Weisheit letzter Schluß gewesen sein kann, dürfte jedem klar sein, der weiß, daß seine Kategorienlehre von vornherein als Grundlegung einer künftigen Metaphysik konzipiert ist: „für den Schüler Kantens, wie für den Schüler des Aristoteles, ist die Analyse der Logik" nicht formalistischer Selbstzweck, sondern zunächst und zuvörderst Arbeit am „Fundament der Metaphysik".(12) Diese Grundintention entspricht dem „objektiven Idealismus", den Peirce später (in den 80er und 90er Jahren) in Gestalt einer evolutionistischen Metaphysik einzulösen versuchte. Er hat sich darüber hinaus (in seinem letzten Lebensjahrzehnt) aber auch intensiv um eine vertiefte (nicht bloß genetische, sondern ihrerseits kategoriale) Klärung der Kategorienverhältnisse bemüht. Die Frage, inwieweit ihm diese letzte Klärung gelungen ist, und wie sein systematisches Verhältnis zur Hegelschen Philosophie sich solcherart definitv gestaltet, muß vorderhand (allein schon angesichts des derzeitigen fragmentarischen Standes der Peirce-Editionen) offenbleiben. Aber auch unabhängig davon, ob und in welcher Weise die altbewährten transzendentalphilosophischen Problemkomplexionen von Begriffsgenese und Begriffsgeltung und von Zeit-, Wahrheits- und Subjektivitätsproblematik in seiner Spätphilosophie ihre Aufklärung finden, dürfte bereits feststehen, daß Peirce diese Problemverschlingungen nicht nur in origineller Weise bereichert, sondern sie zudem - im Lichte der systematischen Fragen, die seine Semiotik, Kategorienlehre und Relationentheorie aufwerfen - in vielversprechender Weise neu strukturiert hat; spricht doch einiges dafür, daß wir das Dickicht der genannten Problemkomplexionen durchdrungen haben, sobald wir erst einmal wissen, was ein Interpretant, was Drittheit und was eine triadische Relation ist.
 
 
 

LITERATURVERZEICHNIS

CP Collected Papers of Charles Sanders Peirce, (Eds.) Ch. Hartshorne and P. Weiss/ A.W. Burks, 8 vols., Cambridge/Mass. 1931/60.

WP Writings of Charles S. Peirce, (Eds.) M.H. Fisch et al., Bloomington/Ind. 1982ff.

SS Charles S. Peirce, Semiotische Schriften, hg. und übers. von Chr. Kloesel und H. Pape, 3 Bde., Frankfurt/M 1986ff.

PP Charles S. Peirce, Schriften zum Pragmatismus und Pragmatizismus, hg. von K.O. Apel, übers. von G. Wartenberg, Frankfurt/M 21976.

FÜ Charles S. Peirce, Die Festigung der Überzeugung und andere Schriften, hg. von E. Wather, Baden-Baden 1965.

Charles S. Peirce, Religionsphilosophische Schriften, hrsg. von H. Deusser, Hamburg 1995.

K.O. Apel [1975], Der Denkweg von Charles S. Peirce, Frankfurt/Main 1975.
--- [1976], Transformation der Philosophie, Bd. 2, Frankfurt/Main 1976.

J.G. Fichte, Sämmtliche Werke, hg. von I.H. Fichte, Berlin 1845f.

G.W.F. Hegel, Werke in 20 Bdn. (Theorie-Werkausgabe), hg. von E. Moldenhauer und K.M. Michel, Frankfurt/M 1969ff.

V. Hösle [1987], Hegels System. Der Idealismus der Subjektivität und das Problem der Intersubjektivität, Bd. 1, Hamburg 1987.

W. v. Humboldt, Werke in fünf Bänden, hg. von A. Flitner und K. Giel, Darmstadt 1963.

H. Pape [1989], Erfahrung und Wirklichkeit als Zeichenprozeß, Frankfurt/Main 1989.

F.W.J. Schelling, Sämmtliche Werke, hg. von K.F.A. Schelling, Stuttgart 1856ff.

K.W. Zeidler [1981], Transformationen der Logik, in: Wiener Jahrbuch f. Philos., Bd. XIV/1981, S. 7-22.
--- [1984], Reflexivität und Begründung, in: Wiener Jahrbuch f. Philos., Bd. XVI/1984, S. 27-46.
--- [1992], Grundriß der tranzendentalen Logik, Cuchaven 1992.
--- [1995], Kritische Dialektik und Transzendentalontologie, Bonn 1995.
--- [2000], Prolegomena zur Wissenschaftstheorie, Würzburg 2000.
--- [2000a], Die Wirklichkeit der Vernuft, in: L. Nagl/R. Langthaler (Hg.), System der Philosophie? Fft/M u.a. 2000, S. 241-252.
 
 
 
 
 

1. Vgl. die Beiträge zu dieser Problematik in dem Sammelband ‚Die Einheit der semiotischen Dimensionen' (Tübingen, 1978), wobei aus philosophischer Sicht insbesondere auf den Aufsatz von Christian Stetter, Semiose als kontinuierlicher Prozeß (S. 155-170) hinzuweisen ist.

2. Hegel hat bekanntlich die christliche „Gemeinde" und die als das Wissen dieser Gemeinde sich wissende Philosophie als das Moment gedeutet, in dem sich die trinitarische Selbstexplikation Gottes vollendet: denn „der Geist Gottes oder Gott als gegenwärtiger, wirklicher Geist, Gott in seiner Gemeinde wohnend", ist nicht bloß ein Drittes, das von außen „die Individuen zusammenschließt, [sondern] ist auch das, was ihr wahrhaftes Selbstbewußtsein, ihr Innerstes und Eigenstes" und somit „die Vereinigung des unendlichen Gegensatzes" von Gott und Welt ausmacht (Hegel TW 17, S. 305).

3. Diese Einsicht klingt auch bei Apel immer wieder zwischen den Zeilen durch. So etwa an der eingangs zitierten Stelle, an der er von dem ‚höchsten Punkt' der Peirceschen Forschungslogik, als der „Einheit einer konsistenten semiotischen Weltrepräsentation" spricht, „die letztlich [!] nur in einer unbegrenzten Experimentier- und Kommunikationsgemeinschaft erreicht werden kann" (Apel [1975], S. 211). Wie diese immer wieder aufbrechende Dialektik von Sozialapriorismus und philosophischem Anspruch aufzulösen sei, bleibt eine Rätselfrage, die allerdings auf ihre Weise den eigentümlichen Reiz des Apelschen Denkens ausmacht.

4. Man beachte in diesem Zusammenhang Kants Ausführungen zur ‚transzendentalen Topik' (KrV A 268ff./B 324ff.) und seine Kritik am Rationalismus, der die philosophische Vernunfterkenntnis mit der mathematischen (auf einer apriorischen Anschauung beruhenden) Vernunfterkenntnis vermenge.

5. Diese Differenz ist allerdings nicht gar so groß, wenn man bedenkt, daß die Peircesche Primärkategorie (das qualitative So-Sein, Erstheit) zunächst als reiner Logos oder „ground" (im Sinne der platonischen Idee) konzipiert war und sich dann über die reine Intension und das Prädikat des Urteils zur (sinnlichen) Qualität verwandelte (vgl. WP 1, S. 169, 290, 474); eine Verwandlung, die jedoch der späte Peirce zumindest teilweise zurücknimmt, insofern er eine unmittelbare „Wahrnehmung der Allgemeinheit und Kontinuität" (also eine „Erstheit der Drittheit ) postuliert (siehe Apel [1975], S. 177ff.). Diese Metamorphose der Erstheit scheint wiederum zu bestätigen, daß die Differenz zwischen Peirce und Hegel letztlich in jener Ambivalenz von Unmittelbarkeit und Allgemeinheit gründet, die ich mit dem Terminus ‚Handlungsperspektive' umschrieben habe.

6. „Die gesamte Entwicklung der Zeichentheorie von 1865 bis 1914 kann man auch als eine Folge von Versuchen lesen, eine Antwort auf diese Frage zu geben: Was sind die Bedingungen dafür, daß Zeichen Gegenstände darstellen?" (H. Pape [1989], S. 500)

7. Kants metaphysische Deduktion bleibt im Grunde genommen völlig unverständlich, wenn man sie nicht im Kontext seiner Schrift über ‚Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren' (1762) liest. Diese kleine Schrift ist nach wie vor - trotz Jäsche-Logik und Bd. XVI der Akademie-Ausgabe - die aufschlußreichste Quelle für Kants Philosophie der Logik, da sich an ihr unmittelbar verfolgen läßt, wie Sachbezug des Urteils und ‚falsche Spitzfindigkeit' der traditionellen Syllogistik, einander wechselseitig bestätigend, den Primat der Urteilsform (des urteilenden ‚Verstandes') begründen. Aufgrund genau dieser Voraussetzung wird jedoch die Frage, wie denn nun die Urteilsform ihrerseits zu begründen sei, zur schlechterdings unauflösbaren Aufgabe einer metaphysischen Deduktion der Kategorien. Dagegen hebt Peirce - wie vordem bereits Hegel - diese urteilslogische Engführung der Kategoriendeduktion (und die damit einhergehende unheilvolle Kontamination von formaler und transzendentaler Logik) aus den Angeln (vgl. CP 1.561), indem er nachweist, daß es drei genuine ‚Figuren' des Schlusses gibt, die ihre je eigenständige transzendentallogische Relevanz besitzen. Mit anderen Worten: während Kant den Schluß als eine Zusammensetzung von Urteilen auffaßt und daher deren formallogische Kombinatorik (die schachbrettartige Zusammenstellung von vier ‚Figuren' des Syllogismus) als unnütze ‚Spitzfindigkeit' interpretiert, erkennen Peirce und Hegel, daß dieser Kombinatorik (soweit sie sich auf die drei Figuren des Aristoteles beschränkt) die transzendentallogische Struktur der Zeichenvermittlung oder Semiose (Peirce) bzw. der Subjektivität (Hegel) zugrunde liegt.
Ein näherer Vergleich von Peircescher, Hegelscher und Aristotelischer Schlußlehre findet sich in K. W. Zeidler [1981]. Vgl. [1992], §§ 27, 31,32.

8. Da Hegel die dreifache Vermittlung durch terminus medius (Deduktion), minor (Induktion) und maior (Abduktion) abermals auf diese dreieinige Vermittlungsstruktur projiziert, gewinnt er drei verschiedene Stufen oder „Gattungen der Schlüsse". Unter diesen bilden die drei Reflexionsschlüsse (Schluß der Allheit, Induktion, Analogie) das nähere Äquivalent zu Peircens forschungslogischer Schlußlehre. Die entsprechenden Ausführungen in § 190 der Berliner Enzyklopädie beleuchten recht schön jenes Voraussetzungsverhältnis der drei Schlußformen Deduktion, Induktion und Abduktion, das Peirce (gewissermaßen in empiristischer Umkehrung der Hegelschen Begriffslogik) zumeist als genetische Abfolge von Abduktion - Induktion - Deduktion deutet: „Der Obersatz [sc. Des ‚Schlusses der Allheit'] der die besondere Bestimmtheit, den terminus medius, als Allheit zum Subjekte hat, setzt aber den Schlußsatz, der jenen zur Voraussetzung haben sollte, vielmehr selbst voraus. Er beruht daher 2) auf der Induktion, deren Mitte die vollständigen Einzelnen als solche, a, b, c, d usf. sind. Indem aber die unmittelbare, empirische Einzelnheit von der Allgemeinheit verschieden ist und darum keine Vollständigkeit gewähren kann, so beruht die Induktion 3) auf der Analogie, deren Mitte ein Einzelnes, aber in dem Sinne seiner wesentlichen Allgemeinheit, seiner Gattung oder wesentlichen Bestimmtheit ist." (Hegel TW 10, S. 341)

9. Analoge Überlegungen zum trinitarischen Gottesbegriff entwickelt übrigens auch der frühe Peirce. In seiner 11. Lowell-Vorlesung (1866) spricht er im Hinblick auf die Einheit der Symbolisierung geradezu von der „göttliche[n] Trinität des Objekts [Zweitheit], des Interpretanten [Drittheit] und des Grundes [Erstheit; vgl. oben, Anm. 5). Ein jedes begründet das Symbol, und dennoch sind alle drei dazu erforderlich. Außerdem sind sie nicht dasselbe Ding, das man nur von verschiedenen Gesichtspunkten sieht, sondern drei Dinge, die ihre Identität erlangen, wenn das Symbol unendliche Information erwirbt. In vielen Hinsichten stimmt diese Dreiheit mit der christlichen Trinität überein; ich bin mir in der Tat nicht eines einzigen Unterschieds bewußt." (WP 1, S. 503; SS 1, S. 144)

10. In diesem Sinne mokiert sich bereits Schopenhauer über die ‚Weisheit' seines Erzfeindes Hegel: „Die Hegelsche Weisheit, kurz ausgedrückt, ist, daß die Welt ein krystallisirter Syllogismus sei."

11. So kritisiert etwa Vittorio Hösle - in seinem bemerkenswerten Versuch einer „Analyse des Hegelschen Systems in seiner Totalität" (V. Hösle [1987], S. 4) - die Schlußlehre als „eine ganz offenbar untaugliche Reflexion, die im wesentlichen eine umständliche Verkleidung eines einfachen Zirkels darstellt." (ibid., S. 182; vgl. S. 238f.)
Demgegenüber scheint mir die Pointe der Hegelschen Schlußlehre gerade darin zu bestehen, daß sie (in Modifikation der Kantischen Lehre von den drei „Vernunftschlüssen" (KrV A 322f./B 379f.)) das - bereits von Aristoteles (Anal. Post. I 3, 72 b5-19) und den „späteren fünf Tropen der Skeptiker" (Hegel TW 2, S. 243ff.) her bekannte - „Münchhausen-Trilemma" (Hans Albert) in sich reflektiert und somit die urteilslogisch vereinzelten Argumente der skeptizistischen Rationalitätskritik (logischer Zirkel, unendlicher Regreß und dogmatischer Abbruch des Begründungsverfahrens) als in sich zusammenhängende - in sich schlüssige - transzendentallogische Subjektivitäts- und Begründungsstruktur begreift.
(vgl. K. W. Zeidler [1984], S. 39ff.; [1992], §§ 29-31; [2000], S. 153ff.; [2000a])

12. "I fear I have wearied you in these lectures by dwelling so much upon merely logical forms. But to the pupil of Kant as to the pupil of Aristotle the Analytic of Logic is the foundation of Metaphysics. We find ourselves in all our discourse taking certain points for granted which we cannot have observed. The question therefore is what may we take for granted independent of all experience. The answer to this is metaphysics. But it is plain that we can thus take for granted only what is involved in logical forms. Hence, the necessity of studying these forms." (WP 1, S. 302)