Archiv für Systematische Philosophie
Lebenslauf Kurzdarstellung
Werke Literaturhinweise
Robert Reininger
Lebenslauf
Geboren am 28. September 1869 in Linz/Donau.
Ab 1888 philos. und naturwiss. (zeitweise auch jurist.) Studien in
Bonn (J.B. Meyer, Th. Lipps), Heidelberg (K. Fischer) und Wien (R. Zimmermann,
A. Stöhr).
1893 Promotion in Wien zum Dr. phil. (Nebenfach: Zoologie) bei Zimmermann
und Vogt mit der Diss. Über Schopenhauers Kritik der Kantischen
Lehre vom Objekt der Erfahrung.
1903 Venia für Geschichte der Philosophie an der Univ. Wien.
1913 außerordentlicher und seit 1922 ordentlicher Professor an
der Universität Wien (Lehrtätigkeit bis 1940).
1912-1939 Obmann der Philosophischen Gesellschaft an der Univ. Wien.
1922 korr. und seit 1924 ord. Mitglied der Österr. Akad. d. Wiss.
1940 korr. Mitglied d. Preuß. Akad. d. Wiss.
Gestorben am 17. Mai 1955 in Wien.
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Kurzdarstellung
"Reininger hat auf alle, die ihm philosophisch
verbunden waren, durch sein vorbildliches Philosophenleben gewirkt, in
dem Theorie und Praxis (als Ethos der autonomen Persönlichkeit) niemals
auseinanderfielen. Er hat es vorzüglich verstanden, die fundamentalphilosophische
Voraussetzungsproblematik zu entwickeln und an ihr das kritische Denken
zu schulen. Trotz seines Ausgehens von Kants Transzendentalphilosophie
war Reininger kein Neukantianer. In einer gewissen Analogie zu der von
Heidegger in bestimmter Richtung aufgenommenen Problemstellung ist nämlich
für Reininger die "daseiende" Transzendentalität über alle
transzendentallogische "Geltung" hinaus immer ein Problem geblieben, obwohl
er auf der anderen Seite den Sinn des Transzendentalismus in keiner Weise
existenzphilosophisch erweichen ließ. In der Tat kann man die
transzendentale Voraussetzungsproblematik der Philosophie nicht dadurch
hintergehen, daß man nach nichttranszendentalen Voraussetzungen der
daseienden Transzendentalität fragt. In herkömmlicher
Sprache läßt sich Reiningers philosophisches Grundproblem so
formulieren, daß man fragt, wie in dem seit Descartes das neuzeitliche
Denken bestimmenden Begriff des "Ich" Transzendentalität und Dasein
zusammenzudenken seien.
Im Sinne dieser seiner Transzendentalphilosophie hat Reininger
in einer für sein ganzes Denken grundlegenden Weise das Vorgehen der
Philosophie als "zentral" unterschieden von dem naiv-unmittelbar in intentione
recta stehenden Einzelwissen einschließlich des Alltagswissens, dem
es nur "peripher" um das Erfassen des unproblematisch vorausgesetzten "Gegebenen"
und seiner Relationen zu tun ist, ohne daß es sich eben in transzendentaler
Reflexion dieses Erfassen selbst an der "Ich-Bezogenheit" alles Wissens
zum Problem macht: "Philosophie ist zuallererst das [in transzendentaler
Reflexion, zentral] um sich selbst wissende [sonst nur in unmittelbarem
Sinn stehende, periphere] Bewußtsein." (R. Reininger, Metaphysik
der Wirklichkeit, 1947/48, I/l0f.) Für Reininger sind also alle Einzelwissenschaften
dadurch, daß sie jeweils einen bestimmten Bereich des "Gegebenen"
unproblematisch voraussetzen, in ihrem gesamten Methodenbestand durchwegs
und in ihrem Rahmen mit Recht peripher orientiert. Die Philosophie hat
aber im Sinne dieses Bereichswissens überhaupt kein besonderes Gegenstandsgebiet,
sondern reflektiert zentral darauf, wie von Gegebenem (überhaupt und
in seinen seinsmäßigen Unterschieden) die Rede sein kann. Daher
liegt für Reininger die Philosophie "nicht in der Verlängerungslinie
anderer Wissenschaften, sondern ist eine Senkrechte, die alle anderen Linien
schneidet. Philosophie darf daher nicht an andere Wissenschaften anknüpfen
wollen und hat auch von ihnen keine Hilfe zu erwarten. Sie selbst wieder
bilden für sie ein Problem. Denke man sich alle anderen Wissenschaften
in ihrer Art vollendet, so bliebe die Aufgabe der Philosophie ihrer ganz
andersartigen Blickeinstellung nach davon unangetastet." (R. Reininger,
Nachgelassene philosophische Aphorismen [Wien 1961], S. 32f.)
Das für die Einzelwissenschaft unproblematisch Gegebene
ist also für die Philosophie ein Problem. Wenn man die Entwicklung
des Neopositivismus seit den Zeiten des "Wiener Kreises" bis auf die Gegenwart
betrachtet, dann muß man zugeben, daß das Resultat dieser Entwicklung
Reininger in fundamentalphilosophischer Hinsicht recht gegeben hat. In
dieser Entwicklung ist nämlich der Begriff des Gegebenen völlig
fraglich geworden, damit aber auch die bloß verbale Berufung auf
die sogenannte "Erfahrung", die ursprünglich das Pathos des Neopositivismus
und seinen Kampf gegen die metaphysischen Scheinprobleme bestimmt hat.
Solange man nicht anzugeben vermag, was eigentlich Erfahrung heißt,
muß der neopositivistischen Selbstkritik (z. B. bei B. Russell) zugestimmt
werden, daß nämlich die Berufung auf sie keine fundamentalphilosophische
Relevanz besitzt. Reininger ist immer der Meinung gewesen, daß der
Grundansatz der neopositivistischen Erfahrungsphilosophie nicht ohne die
Frage Kants nach der (transzendentalen) "Möglichkeit der Erfahrung"
haltbar und durchzuführen sei. Er hat in einem Nachlaßfragment
sehr klar formuliert, worum es ihm ging. Es heißt dort: "Es ist richtig,
wie der Neopositivismus behauptet, daß wir es im Denken immer nur
mit Aussagen zu tun haben, mit Aussagen über Aussagen und einer Umformung
von Aussagen. Zuletzt aber drängt sich doch unabweislich die Frage
auf: Wovon ist denn in allen diesen Aussagen eigentlich die Rede? Mit dieser
Frage aber treten wir in die Metaphysik ein, deren Möglichkeit davon
abhängt, was man unter ihr versteht." (R. Reininger, a.a.O., S. 113.)
Es ist notwendig, diese Gedankengänge Reiningers zu berücksichtigen,
um darüber ins Klare zu kommen, zunächst was bei ihm überhaupt
"Metaphysik" heißt, dann aber auch, um mit dem im vorliegenden Buch
zentralen Begriff, bzw. Grenzbegriff des "Urerlebnisses" den richtigen
Sinn zu verbinden.
Reiningers Ethik ist im wesentlichen von Kant und Nietzsche
her bestimmt. In ihrem Mittelpunkt steht das Problem der Freiheit. Auch
Freiheit ist keine peripher aufweisbare Bestimmtheit etwa unseres Handelns,
sondern formuliert einen grenzbegrifflichen Hinweis, daß sich Handeln
nicht in dem erschöpft, was wir von ihm als einem unmittelbar Gegebenen,
etwa behavioristisch, aussagen können. Dieser gegenständliche
Begriff des Handelns erreicht nur den Geschehensablauf im Sinne eines Naturablaufes,
der uns niemals vor jenes Problem stellen könnte, das eben durch das
Wort "Handeln" bezeichnet wird, wüßten wir nicht sozusagen schon
von woanders her, daß ein bloßer Geschehensablauf der Wirklichkeit
des aktualen Handelns nicht gleichgesetzt werden kann. Freiheit ist also
für Reininger nicht ein besonderer, etwa psychologischer Faktor am
Handeln, wogegen sich schon Kant in jenem bekannten Gleichnis vom "Bratenwender"
ausgesprochen hat, sondern das ganze Handeln als aktualer Vollzug, den
wir freilich in peripher-gegenständlicher Beschreibung niemals in
den Griff bekommen können."
aus: Erich Heintel, Nachwort zu R. Reininger,
Metaphysik der Wirklichkeit, München-Basel 1970, S. 216ff.
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Werke Literaturhinweise
Bibliographie
Kants Lehre vom inneren Sinn und seine Theorie der Erfahrung, Wien-Leipzig
1900.
Philosophie des Erkennens, Leipzig 1911.
Das Psycho-Physische Problem. Eine erkenntnistheoretische Untersuchung
zur Unterscheidung des Physischen und Psychischen überhaupt, Wien-Leipzig
1916, 21930.
Friedrich Nietzsches Kampf um den Sinn des Lebens. Der Ertrag seiner
Philosophie für die Ethik, Wien-Leipzig 1922, 21925.
Locke, Berkeley, Hume (Geschichte der Philosophie in Einzeldarstellungen,
Bd. 22/23), München 1922.
Kant, seine Anhänger und Gegner (Geschichte der Philosophie
in Einzeldarstellungen, Bd. 27/28), München 1923.
Metaphysik der Wirklichkeit, Wien-Leipzig 1931.
Wertphilosophie und Ethik. Die
Frage nach dem Sinn des Lebens als Grundlage einer Wertordnung, Wien-Leipzig
1939, 21946, 31947.
Metaphysik der Wirklichkeit. Zweite,
gänzlich neubearbeitete und erweiterte Auflage, 2 Bde., Wien 1947/48
(ND von Bd. 1 und 2: München 1970).
Nachgelassene philosophische Aphorismen aus den Jahren 1948-1954,
hg. von E. Heintel (SB der Österr. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl.
Bd. 237, 5. Abh.), Wien 1961.
Jugendschriften 1885-1895. Aphorismen 1894-1948, hg. und eingeleitet
von K. Nawratil (SB der Österr. Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl. Bd.
296), Wien 1974.
Philosophie des Erlebens. Ausgewählt, hg. und eingeleitet von
K. Nawratil, Wien 1976.
Einführung in die Probleme und Grundbegriffe der Philosophie.
Aufgrund des nachgelassenen Manuskripts hg. von K. Nawratil (SB der Österr.
Akad. d. Wiss., Phil.-hist. Kl. Bd. 342), Wien 1978.
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Literaturhinweise
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Reiningers, Wien 1949.
R. Christensen, Lebendige Gegenwart und Urerlebnis. Zur Konkretisierung
des transzendentalen Apriori bei Husserl und Reininger (SB der Österr.
Akad. d. Wiss., Phil.-hist.Kl. Bd. 389), Wien 1981.
M. Haubfleisch, Wege zur Lösung des Leib-Seeleproblems, Berlin
1929.
E. Heintel, Nietzsches 'System' in seinen Grundbegriffen, Leipzig 1939.
---, Robert Reininger, Nachgelassene philosophische Aphorismen aus den
Jahren 1948-1954, hg. von E. Heintel, Wien 1961.
---, Robert Reininger, in: Wissenschaft und Weltbild XXI, 2-3/1968.
K. Nawratil, Robert Reininger. Leben-Wirken-Persönlichkeit
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---, Das Problem des Geistes in der Philosophie Robert Reiningers (SB
der Österr. Akad. d. Wiss., Phil.- hist.Kl. Bd. 236, 3. Abh.), Wien
1969.
E. Rogler, Wirklichkeit und Gegenstand. Untersuchungen zur Erkenntnismetaphysik
Robert Reiningers, Fft/M 1970.
S. Schmida, Perspektiven des Seins. I. Bd.: Systematik. Die vier Aspekte
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W. Stegmüller, Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie.
Eine historisch-kritische Einführung, Wien 1952.
W. Woschnak, Moral und Ethos. Systematische Bemerkungen zur Ethik Robert
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Hönigswalds, W. Cramers, B. Bauchs, H. Wagners, R. Reiningers und
E. Heintels (Studien zum System der Philos. Beiheft 1), Bonn 1995.
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