Archiv für Systematische Philosophie
Lebenslauf Kurzdarstellung
Werke Literaturhinweise
Richard Hönigswald
Lebenslauf
Geboren am 18. Juli 1875 in Ung.-Altenburg (Magyar-Óvár,
ht. Mosonmagyaróvár)
Studium der Medizin in Wien (Promotion 1902) und der
Philosophie in Halle (Riehl) und Graz (Meinong)
1904 Promotion in Halle
1906 Habilitation in Breslau
1916 ao. Prof. für Philosophie, Psychologie und Pädagogik
in Breslau
1919 o. Prof. in Breslau
1930 o. Prof. in München
1933 Zwangspensionierung
1938 KZ Dachau
1939 Emigration in die Vereinigten Staaten
Gestorben am 11. Juni 1947
in New Haven (Conn.) |
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Kurzdarstellung
Die Hönigswaldsche Philosophie gestaltet
sich nicht zu einem ‚System‘, sondern zu einer problemorientierten ‚Systematik‘,
zu einer - wie Hönigswald selbst im Titel eines Nachlaßwerkes
bekundet - aus „individueller Problemgestaltung entwickelt[en] Systematik
der Philosophie“. Die Grundstruktur dieser Systematik läßt
sich am ehesten am Bild einer Ellipse verdeutlichen, insofern das Denken
Hönigswalds gleichsam um zwei ‚Brennpunkte‘ zentriert ist: um das
Problem des ‚Gegebenen‘ und um das Problem einer ‚Allgemeinen Methodenlehre‘,
die letztlich auf alle Objektivationen des Geistigen ausgreift. Diese Systematik
erwächst aus dem Versuch einer korrelativistischen Bewältigung
des Affinitätsproblems; sie erwächst aus der Korrelativsetzung
zweier Grundprobleme, anhand derer sich zudem präzise Abstand und
Nähe Hönigswalds zu seinem Lehrer Alois Riehl bestimmen lassen.
Diese beiden Grundprobleme (das Problem des ‚Gegebenen‘ und das Problem
einer ‚Allgemeinen Methodenlehre‘) erwachsen nämlich ihrerseits aus
der Problematisierung der zwei Eckpfeiler (des realistischen und des wissenschaftstheoretischen)
auf denen der
philosophische Kritizismus Alois Riehls ruht; aus
einer Problematisierung, die sich daraus ergibt, daß Hönigswald
das schlichte Nebeneinander beider Ansätze in eine strenge Wechselbezüglichkeit
transformiert. Hönigswald führt damit den realistischen Kritizismus
seines Lehrers Riehl weiter, er schärft und vertieft ihn damit jedoch
zugleich in Auseinandersetzung mit dem Marburger und Südwestdeutschen
Neukantianismus.
Vergegenwärtigt man sich diese problemgeschichtlich
bedingten Zielsetzungen des Hönigswaldschen Denkens, dann finden dessen
Besonderheiten und Eigentümlichkeiten eine zwanglose Erklärung.
Die scheinbar bruchlose Kontinuität seiner Entwicklung, die „als eine
allseitig um sich greifende Entfaltung einmal konzipierter Grundgedanken“
zu begreifen ist (
Brelage [1965], S. 133), sein
„eigentümlich kreisende[r] Denkstil“ (ibid., S. 129), sowie die zentrale
Rolle des Begriffs der „Korrelation“ sind Ausdruck des Versuches, die Gegensätze
zwischen realistischem und idealistischem Neukantianismus durch die Korrelation
von Objekt und Methode zu unterlaufen. In diesem Sinne ist auch der Hönigswaldsche
Leitbegriff „Gegenständlichkeit“ zu verstehen. Er ist nicht ein Oberbegriff
für die Objekte der gegenstandstheoretischen oder phänomenologischen
Forschung, sondern bezeichnet jene Verknüpfung von Verstandesregel
und sinnlich Gegebenem, die - nach kritizistischer Grundauffassung - Möglichkeitsbedingung
jeglicher objektiven Erkenntnis ist. Die „letztdefinierte Instanz Gegenständlichkeit“
(Hönigswald) ist im Kontext der Kantischen Überlegungen zum Gegenstandsbegriff
zu sehen, die Hönigswald bereits in seiner Habilitationsschrift (
Beiträge
[1906], S. 31) als Beleg dafür anführt, daß „das Problem
der ‚Gesetzlichkeit‘ der Natur [...] im wesentlichen mit der Aufgabe zusammen[fällt],
den Begriff des Gegenstandes der Erfahrung zu definieren“ (ibid., S. 29):
„Wenn
wir untersuchen, was denn die Beziehung auf einen Gegenstand unseren Vorstellungen
für eine neue Beschaffenheit gebe, und welches die Dignität sei,
die sie dadurch erhalten, so finden wir, daß sie nichts weiter tue,
als die Verbindung der Vorstellungen auf eine gewisse Art notwendig zu
machen, und sie einer Regel zu unterwerfen; daß umgekehrt nur dadurch,
daß eine gewisse Ordnung in dem Zeitverhältnisse unserer Vorstellungen
notwendig ist, ihnen objektive Bedeutung erteilet wird.“ (KrV A 197/B
242f.).
Mit diesem Kantzitat sind einerseits nichts weiter als
der Grundgedanke der objektiven (transzendentalen) Deduktion bzw. der ‚oberste
Grundsatz aller synthetischen Urteile a priori‘, damit freilich andererseits
auch Grundprobleme der theoretischen Philosophie Kants angesprochen, die
seit jeher die unterschiedlichsten Kantinterpretationen auf den Plan riefen
und letztlich auch den Gegensatz von idealistischem und realistischem Neukantianismus
bestimmen. Hönigswald versucht diese Probleme im Ausblick auf eine
umfassende und kritische Theorie des Objekts mit dem Hinweis auf die „letztdefinierte
Instanz Gegenständlichkeit“ zu lösen. Und mit dem Hinweis auf
das faktische Zusammenfallen von ‚Prinzip‘ und ‚Tatsache‘ (
Denkpsychologie
[1925], S. 195) und die in jeglicher „Bedeutung“ immer schon vermittelte
„Einheit von Ich-Bestimmtheit und Ist-Bestimmtheit“ (ibid., S. 201), versucht
er die spezialwissenschaftliche Ausrichtung seiner zugleich stets prinzipientheoretisch
orientierten Untersuchungen mit Vorliebe an jenen eigentümlichen ‚Gegenständen‘
zu bewähren, die selbst
Prinzip und Tatsache sind. Auch die
Hönigswaldsche ‚Denkpsychologie‘ und ‚Monadologie‘, in der das Ich
qua Erlebnismittelpunkt (Monade), die Erlebniszeit (Präsenz), der
Organismus, die Gestalt, die Sprache und das Problem der pädagogischen
„Determination“ bzw. „Konzentration“ zur Diskussion stehen, bedeuten daher
nicht eine Abkehr vom Kritizismus, sondern stehen vielmehr für den
Zusammenhang von Bewußtseins- und Gegenstandsproblematik, der die
vermögenspsychologische Exposition der Vernunftkritik genauso beherrscht,
wie die in der Kritik der teleologischen Urteilskraft im Begriff des Naturzwecks
gestellte Frage nach einem „Gegebenen“, das - nicht als ein „bloß
Mannigfaltiges in der Anschauung“, sondern - bereits als
Ganzheit,
als organisiertes Wesen und Individuum gegeben ist.
aus: Kurt Walter Zeidler, Kritische Dialektik
und Transzendentalontologie, S. 75-138.
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Werke Literaturhinweise
Auswahlbibliographie
Beiträge zur
Erkenntnistheorie und Methodenlehre, Leipzig 1906.
Zur Wissenschaftstheorie und -systematik, in:
Kant-Studien 17/1912.
Zum Streit über die Grundlagen der Mathematik,
Heidelberg 1912.
Prinzipienfragen der Denkpsychologie, in: Kant-Studien
18/1913.
Studien zur Theorie pädagogischer Grundbegriffe.
Eine kritische Untersuchung, München 1913 (ND: Darmstadt 1966).
Die Skepsis in Philosophie und Wissenschaft,
Göttingen 1914.
Über die Grundlagen der Pädagogik,
München 1918, 2. umgearb. Aufl. 1927.
Hobbes und die Staatsphilosophie, München
1924 (ND: Darmstadt 1971).
Die Grundlagen der Denkpsychologie,
2. umgearb. Aufl., Leipzig-Berlin 1925 (ND: Darmstadt 1965).
Vom Problem der Idee, in: Logos XV/1926.
Grundfragen der Erkenntnistheorie,
Tübingen 1931, Hamburg 1997.
Selbstdarstellung,
in: H. Schwarz (Hg.), Deutsche Systematische Philosophie nach ihren Gestaltern,
Bd. 1, Berlin 1931 und in: R. Hönigswald,
Grundfragen
der Erkenntnistheorie, hg. von W. Schmied-Kowarzik,
Hamburg (Phil. Bibl. 510) 1997.
Geschichte der Erkenntnistheorie, Berlin 1933.
Philosophie und Sprache. Problemkritik und
System, Basel 1937 (ND: Darmstadt 1970).
Schriften aus dem Nachlaß (Veröffentlichungen des Hönigswald-Archivs):
Vom erkenntnistheoretischen Gehalt alter Schöpfungserzählungen,
hg. von G. Wolandt, Stuttgart 1957.
Analysen und Probleme. Abhandlungen zur Philosophie und ihrer Geschichte,
hg. von G. Wolandt, Stuttgart 1959.
Abstraktion und Analysis. Ein Beitrag zur Problemgeschichte des
Universalienstreites in der Philosophie des Mittelalters, hg. von K. Bärthlein,
Stuttgart 1961.
Wissenschaft und Kunst. Ein Kapitel aus ihren Theorien, hg. von
G. Wolandt, Stuttgart 1961.
Grundprobleme der Wissenschaftslehre, hg. von G. Wolandt und H.
Schmitt, Bonn 1965.
Philosophie und Kultur, hg. von G. Schaper und G. Wolandt, Bonn
1967.
Die Grundlagen der allgemeinen Methodenlehre I/II, hg. von H. Oberer,
Bonn 1969/70.
Die Systematik der Philosophie aus individueller Problemgestaltung
entwickelt I/II, hg. von E. Winterhager, Bonn 1976/77.
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Werke Literaturhinweise
Literaturhinweise
E. W. Orth/D. Aleksandrowicz (Hg.), Studien
zur Philosophie Richard Hönigswalds, Würzburg 1996.
W. Schmied-Kowarzik (Hg.),
Erkennen
- Monas - Sprache. Internationales Richard-Hönigswald-Symposion
Kassel 1995, Würzburg 1997.
M. Brelage,
Studien
zur Transzendentalphilosophie, Berlin 1965.
R. Breil, Hönigswald und Kant. Transzendentalphilosophische Untersuchungen
zur Letztbegründung und Gegenstandskonstitution, Bonn 1991.
H. Burckhart, Sprachreflexion und Transzendentalphilosophie, Würzburg
1991.
R. Grassl/P. Richart-Willmes (Hg.), Denken in seiner Zeit. Ein Personenglossar
zum Umfeld Richard Hönigswalds, Würzburg 1997.
E. Hufnagel, Richard Hönigswalds Pädagogikbegriff. Zur Verhältnisbestimmung
von Philosophie und Pädagogik, Bonn 1979.
---, Der Wissenschaftscharakter der Pädagogik. Studien zur pädagogischen
Grundlehre von Kant, Natorp und Hönigswald, Würzburg 1990.
S. Marck, Die Dialektik in der Philosophie der Gegenwart, 2. Hbd., Tübingen
1931.
---, Am Ausgang des jüngeren Neukantianismus. Ein Gedenkblatt
für Richard Hönigswald und Jonas Cohn, in: Archiv für Philosophie
3/1949. Wiederabdruck in: H.-L. Ollig (Hg.), Materialien zur Neukantianismus-Diskussion,
Darmstadt 1987.
N. Meder, Prinzip und Faktum, Transzendentalphilosophische Untersuchungen
im Anschluß an Richard Hönigswald, Bonn 1975.
H. Oberer, Vom Problem des objektivierten Geistes. Ein Beitrag zur Theorie
der konkreten Subjektivität im Ausgang von Nicolai Hartmann, Kantstudien-Ergänzungsheft
90, Köln 1965.
E. W. Orth, Bedeutung, Sinn, Gegenstand. Studien zur Sprachphilosophie
Edmund Husserls und Richard Hönigswalds, Bonn 1967.
E. Patzelt, Ethik und Pädagogik. Die Invariante im System pädagogischer
Bedingungen, entfaltet nach Richard Hönigswald, Frankfurt/M 1991,
W. Ritzel, Philosophie und Pädagogik im 20. Jahrhundert, Darmstadt
1980.
W. Schmied-Kowarzik,
Richard Hönigswalds Philosophie der Pädagogik, Würzburg
1995.
---, Einleitung, in: R. Hönigswald, Grundfragen der Erkenntnistheorie,
hg. von W. Schmied-Kowarzik, Hamburg (Phil. Bibl. 510) 1997.
M. Schneider, Das Urteil und die Sinne. Transzendentalphilosophische
und ästhesiologische Untersuchungen im Anschluß an Richard Hönigswald
und Helmuth Plessner, Köln 1989.
G. Wolandt, Problemgeschichte, Gegenständlichkeit und Gliederung.
Untersuchungen zur Prinzipientheorie Richard Hönigswalds, Kantstudien-Erg.h.
87, Köln 1964.
---, Richard Hönigswald: Philosophie als Theorie der Bestimmtheit,
in: J. Speck (Hg.), Grundprobleme der großen Philosophen, Philosophie
der Gegenwart II, Göttingen 1973.
K. W. Zeidler, Kritische
Dialektik und Transzendentalontologie, Der Ausgang
des Neukantianismus und die post-neukantianische Systematik R. Hönigswalds,
W. Cramers, B. Bauchs, H. Wagners, R. Reiningers und E. Heintels (Studien
zum System der Philos. Beiheft 1), Bonn 1995.
---, Richard Hönigswald
- Ein Unbekannter
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